Göppingen (energate) - "Die Verhandlungen über die Netzübernahme in Göppingen waren lang, aber erfolgreich." Das sagte Martin Bernhart, Werkleiter der Stadtwerke Göppingen und Geschäftsführer der Energieversorgung Filstal (EVF), im Gespräch mit energate. Die Stadtwerke haben in Göppingen die Stromkonzession gewonnen und mit dem Altkonzessionär EnBW über die Übergabe des Netzes verhandelt. Zum 1. Januar 2014 wird das Stromnetz nun von den Stadtwerken an die EVF verpachtet werden.
In den Medien war ein falsches Bild über den Kaufpreis entstanden. Ursprünglich hatten die Stadtwerke gutachtlich rund 14,3 Mio. Euro als Kaufpreis für das Netz feststellen lassen, dann aber 23,3 Mio. Euro als Kaufpreis akzeptiert. "Wir haben zusätzlich die Mittelspannung und vier Umspannanlagen gekauft, die in der ersten Schätzung noch nicht einberechnet waren", so Bernhart. Deswegen sei der Kaufpreis so stark gestiegen. Göppingen verfügt über Mittelspannungsnetze mit Spannungen von zehn und 30 kV. "Im Zuge der technischen Verhandlungen wurde uns vonseiten der EnBW ein Großteil des 30-kV-Netzes mit den zugehörigen Umspannwerken zugestanden. Wir sind dadurch unabhängiger und das Gesamtnetz wird dadurch noch lukrativer", so Bernhart.
Die Verhandlungen mit EnBW seien fair verlaufen. "Allerdings hat der Prozess von der Erteilung der Konzession bis zur Kaufvertragsunterzeichnung mit EnBW rund zwei Jahre gedauert", so Bernhart weiter. Das Procedere sei bei den Verhandlungen vom Konzern klar vorgegeben worden. Zunächst mussten die beiden Unternehmen sich darauf einigen, welche Anlagen im Verteilnetz genau an die Stadtwerke veräußert werden sollten. Erst danach konnte der Preis verhandelt werden. "Dabei ist es uns eigentlich egal, wie der Kaufpreis ermittelt wird. Das Netz muss sich am Ende rechnen", so Bernhart. Ein Businessplan über 20 Jahre war hilfreich, um zu ermitteln, wie viel mit dem Netz in Abhängigkeit des Kaufpreises verdient werden kann. Allerdings sei dies für den Neukonzessionär schwer einzuschätzen. "Der alte Betreiber weiß genau, ab wann der Preis für das Netz so hoch ist, dass eine Übernahme sich nicht mehr lohnt. Der Neukonzessionär kennt dagegen die Daten nicht im Detail. Daher besteht eine Informationsungleichverteilung und ein nicht zu unterschätzendes Risiko für den Neukonzessionär in den Verhandlungen."
Für die Zukunft wünscht Bernhart sich bessere Regelungen zur Konzessionsvergabe und dem anschließenden Netzübergang. So halte er es für begrüßenswert, wenn auch der Neukonzessionär Kosten und Nutzen des Netzes so präzise berechnen könne wie der Altbetreiber. Alle wesentlichen Informationen müssten daher vor Beginn der Verhandlungen allen Parteien zugänglich sein. Sinnvoll wäre zudem ein gesetzlich definiertes Vorgehen, wie der Kaufpreis für ein Netz ermittelt werde. "Wahrscheinlich braucht man da mehr als ein Modell, aber diese müssten standardisiert sein", so Bernhart. Weiterhin wäre es sinnvoll, wenn bestimmte Fristen vorgegeben würden, damit sich die Verhandlungen nicht unnötig in die Länge ziehen.
Als Fazit zieht der Geschäftsführer der EVF, dass ein Konzessionswechsel mit reichlich Vorlauf geplant werden müsse. "Wenn die Verhandlungen allein zwei Jahre dauern, dann muss man mindestens drei Jahre von der Ausschreibung der Konzession bis zur Übernahme rechnen", sagte Bernhart. Entsprechend sollten Gemeinden sich möglichst früh darum kümmern, wenn sie einen Wettbewerb um den Betrieb ihrer Leitungen initiieren wollen. /sw