Hürth (energate) - Die Stadtwerke Hürth bei Köln tauschen ihren Fernwärmelieferanten RWE voraussichtlich gegen ein Chemieunternehmen aus. Der Großteil der Fernwärme soll ab 2018 überwiegend aus der Abwärme eines nahegelegenen Chemiestandortes stammen. Das sieht ein aktuelles Konzept vor, für das sich der Verwaltungsrat der Stadtwerke einstimmig ausgesprochen hat. Momentan beziehen die Stadtwerke 88 Prozent ihrer Fernwärme aus dem Braunkohlekraftwerk Goldenberg von RWE. Der Liefervertrag läuft Ende 2017 aus. Die Stadtwerke Hürth wollen den Liefervertrag nicht verlängern. "Wir gehen davon aus, dass RWE das Kraftwerk über kurz oder lang stilllegt", sagte Jürgen Schiffmann, technischer Leiter der Stadtwerke Hürth, im Gespräch mit energate. Ein neuer Liefervertrag würde über drei oder vielleicht fünf Jahre laufen, das sei den Stadtwerken zu kurzfristig. Zudem wolle RWE Preiserhöhungen durchsetzen, auf die sich die Stadtwerke nicht einlassen wollten.
Mit der nun gefundenen Lösung sicherten sich die Stadtwerke den Fernwärmebezug für die kommenden 20 Jahre. Die auf die Herstellung von Industrierußen spezialisierte Orion Engineered Carbons könne langfristig 75 Prozent des Fernwärmebedarfs der Stadtwerke decken, wenn die Anlagentechnik entsprechend umgerüstet wird. Schon heute deckt das Unternehmen zwölf Prozent des Fernwärmebedarfs ab. Die restlichen 25 Prozent wollen die Stadtwerke Hürth von der Rheinenergie dazu kaufen. Dazu muss eine sieben Kilometer lange Fernwärmeleitung von Köln nach Hürth gebaut werden. Es sei auch möglich gewesen, die Fernwärme ausschließlich von der Rheinenergie zu beziehen, aber - "Abwärme ist günstig", so Schiffmann. Die nun gefundene Lösung sei deutlich preiswerter, so dass man das bisherige Preisniveau auch weiterhin halten könne.
Die entsprechenden Verträge mit Orion und der Rheinenergie wollen die Stadtwerke bis zum Herbst 2014 abschließen. Die Kosten für den Bau der Fernwärmeleitung sowie den Ausbau der industriellen Abwärmenutzung bei Orion beziffert das Unternehmen auf rund 60 Mio. Euro. Wer die Investitionen im Einzelnen trägt, muss laut Schiffmann noch zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt werden. Eventuell sei es auch möglich, Fördermittel vom Land zu erhalten. Dies erhoffen sich die Stadtwerke insbesondere für den Ausbau der Abwärmenutzung. In kleinerem Umfang planen die Stadtwerke auch eigene Erzeugungsprojekte, etwa den Bau eines Blockheizkraftwerkes (energate berichtete). Dieses könne pro Jahr aber lediglich 800.000 kWh der benötigten 340 Mio. kWh liefern, erläuterte Schiffmann.
Die Stadtwerke Hürth versorgen rund 6.350 Kunden mit Fernwärme. Das entspricht nach eigenen Angaben einem Anschlussgrad von 60 Prozent. Damit erreicht Hürth den größten Versorgungsgrad mit Fernwärme in Nordrhein-Westfalen (energate berichtete). Das Braunkohlekraftwerk Goldenberg der RWE gehört zum Kraftwerksverbund Knapsacker Hügel. Hauptabnehmer des Dampfes sind neben den Stadtwerken Hürth der Chemieparkbetreiber Infraserv sowie eine Papierfabrik. Zu möglichen Stilllegungsabsichten wollte sich RWE nicht äußern. /sd