Hagen (energate) - Zum 1. Januar macht die Enervie Asset Network (EAN) ernst und erhöht die Netzentgelte für etwa 2.000 Industriekunden in ihrem Netzgebiet. Das Problem beschäftigt mittlerweile auch Berlin. Am 18. Dezember trifft sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit den Unternehmensvertretern, der südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) sowie der Enervie-Leitung zu einem Krisengipfel, bestätigte Enervie auf energate-Anfrage. Vor zwei Wochen hatte Gabriel auf einer SIHK-Veranstaltung betont, dass er zunächst den Verteilnetzbetreiber, also Enervie, in der Pflicht sehe, die Situation in den Griff zu bekommen. Das Hagener Netzgebiet bildet ein sogenanntes Inselnetz der nordrhein-westfälischen Region. Die Kraftwerke dort sind für die Systemsicherheit im Übertragungsnetz nicht relevant, sehr wohl aber für die Versorgungssicherheit im Verteilnetz, da der Anschluss zum Übertragungsnetz nicht ausreichend ausgebaut ist, um das Netzgebiet voll zu versorgen. Gegen den Übertragungsnetzbetreiber Amprion hat Enervie im Mai einen Missbrauchsantrag gestellt. Enervie sieht Amprion in der Pflicht, technische Voraussetzungen für die Netzsicherheit zu schaffen, so der Enervie-Sprecher. Sollte der Antrag abgelehnt werden, erwägt das Unternehmen einen Gang vor das Oberlandesgericht Düsseldorf.
Durch die Anhebung der Netzentgelte kommt auf einige Unternehmen im EAN-Netzgebiet mit einem Mittelspannungsanschluss eine Erhöhung um 100 Prozent zu (energate berichtete). Um eine deutliche Erhöhung durchzusetzen, bedarf es eines Härtefallantrags bei der Bundesnetzagentur. Diesen hat die EAN am 10. Dezember eingereicht, bestätigte ein Sprecher der Regulierungsbehörde auf energate-Anfrage.
Über die Erhöhung der Netzentgelte will der Hagener Versorger Enervie die Verluste seiner defizitären Kraftwerke in Höhe von 50 Mio. Euro jährlich auffangen. Alle drei noch aktiven Enervie-Kraftwerke wurden als nicht-systemrelevant eingestuft, von der Bundesnetzagentur jedoch als wichtig "für die regionale Versorgungssicherheit" befunden. Sie verursachen Verluste und dürfen jedoch nicht vom Netz gehen. Auch die Bundesnetzagentur sieht in Bezug auf das Netzgebiet von Enervie noch Handlungsbedarf bei der bestehenden Reservekraftwerksverordnung. Der Vizechef der Bundesnetzagentur, Peter Franke, sagte im Rahmen einer Veranstaltung zu energate, dass das Ziel sei, den Fall vor Gericht zu klären, um Rechtssicherheit herzustellen (energate berichtete).
Zum Genehmigungsverfahren der Netzentgelterhöhung wollen sich nach energate-Informationen einige Vertreter der betroffenen Unternehmen von der Bundesnetzagentur beiladen lassen. Dazu gehören auch Mitgliedsunternehmen der Fachvereinigung Kaltwalzwerke (FVK), die Kritik am Vorgehen der Bundesnetzagentur üben. "Es scheint, als ob die Bundesnetzagentur für den Härtefallantrag der Enervie eine sehr kreative Lösung als Weihnachtsgeschenk bastelt", so Bettina Schwegmann, FVK-Geschäftsführerin. Für die Kraftwerke, die nicht systemrelevant seien, habe sich der Regulierer ein neues Gebilde namens "Netzersatzanlagen" ausgedacht, das keine gesetzliche Grundlage habe. "Diese Netzentgelt-Erhöhungen schätzen wir auf eine halbe Mrd. Euro, sollen sie allein auf die Industrieunternehmen verteilt werden", so Schwegmann. "Die schon jetzt spürbaren Auswirkungen auf Investitionen und die Arbeitsplätze der Region wären fatal." /am