Brüssel (energate) - Der europäische Verband der Gasindustrie, Eurogas, sieht das Energieunion-Projekt der EU-Kommission skeptisch. Die geplante Energieunion könne nur funktionieren, wenn die Märkte funktionieren, sagte Gertjan Lankhorst, Eurogas-Chef und Vorstandsvorsitzender des niederländischen Gasversorgers Gasterra, auf einer Konferenz in Brüssel. "Ideen, die über den Markt hinausgehen, können dem Markt schaden." Der zentrale Einkauf von Gas für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten durch eine EU-Behörde, wie er beim Konzept der Energieunion angedacht ist, widerspreche dem europäischen Wettbewerbsrecht.
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Man solle den Kräften des Marktes möglichst freies Spiel lassen, so Lankhorst weiter. Eine zentrale Einkaufsgemeinschaft sei das falsche Signal an die Lieferanten, die EU beziehe ihr Gas nicht nur aus Russland. Die EU-Kommission möchte mit dem zentralen Gaseinkauf vor allem die Verhandlungsposition der Mitgliedsstaaten gegenüber Russland stärken. Für den Gasterra-Chef ist die Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas kein Problem. Russland sei ein zuverlässiger Lieferant. Nur diejenigen EU-Länder, in denen kein Wettbewerb herrsche, hätten ein Problem mit Russland, wie zum Beispiel Polen. Der Vorschlag zur Energieunion geht auf eine Initiative des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zurück.
Wie der zuständige EU-Vizepräsident Maros Sefcovic nach einer Orientierungsdebatte zur Energieunion (energate berichtete) in Brüssel sagte, hätten die östlichen Mitgliedsstaaten Verständnis für die Idee des zentralen Gaseinkaufs. Die westlichen Länder mit ihren liquideren Gasmärkten hätten dies nicht. Beide Positionen werde die Kommission abwägen. Lankhorst äußerte sich bei der Eurogas-Konferenz zuversichtlich, dass sich im Ministerrat keine Mehrheit für die Idee findet. Solidarität sollten die Mitgliedsstaaten bilateral vereinbaren.
Die Lösung für die Probleme der europäischen Gasversorgung sieht Lankhorst im Ausbau der grenzüberschreitenden Pipelines. Aber die Fernleitungsnetzbetreiber investierten zu wenig, weil ihnen die nationalen Regulierungsbehörden keine Anreize gäben, kritisierte er im Gespräch mit energate. Bei vielen Unternehmen rede die nationale Politik hinein. Deshalb sei er auch für einen europäischen Regulator. Der Verband der Stromindustrie, Eurelectric, sehe das genauso.
Kritisch äußerte sich Lankhorst auch zu Überlegungen, die Organisation der Gasbevorratung zu ändern. Die Pflichtvorräte von unabhängigen Agenturen und Organisationen managen zu lassen, wie beim Erdöl, sei nicht kosteneffizient. Gasspeicher seien teurer als Erdölspeicher. Derzeit liegt die Organisation in den Händen der Gasfirmen. Die gesetzlichen Pflichtvorräte (30 Tage) sind dabei nicht von den wirtschaftlichen getrennt. Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte energate, dass die Gasversorgungssicherheits-Verordnung aus dem Jahre 2010 überprüft werden soll. Wann genau, konnte sie nicht sagen. Die Verordnung sei aber ebenfalls Bestandteil der Energieunion. /rl