Hamburg/Essen (energate) - Bei der Energiewende geht es nach Ansicht des regionalen Versorgers Hamburg Energie voran. "Wir haben aber an einigen Stellen Knirschen im Gebälk", sagte Michael Beckereit, Geschäftsführer von Hamburg Energie, im energate-Interview. Auch in den nächsten Jahren werde das wohl so bleiben. Die aktuelle Debatte um den Netzausbau sieht er als vorübergehendes Phänomen an. "Wir müssen bei der Energiewende großflächiger denken. Da kann man über das regionale Geplänkel eigentlich nur lächeln", sagte Beckereit. Nichts hält er indes davon, den Ausbau der Erneuerbaren-Anlagen an den Fortschritt beim Netzausbau zu koppeln. "Damit würde die Energiewende gebremst". Für ihn gehöre zur Energiewende auch der Ausbau dezentraler Anlagen. Je mehr man aber in großen Trassen denke und je früher diese vorhanden seien, desto weniger werde Dezentralität gefördert. "Natürlich brauchen wir neue Trassen. Aber durch mehr dezentrale Energien entstehen kleinräumigere Märkte und vielleicht brauchen wir dann gar nicht mehr so viele neue Leitungen."
Beckereit wünscht sich von der Politik, "dass es nicht jedes Jahr ein neues EEG gibt". "Man sollte höchstens vorsichtig nachsteuern, wenn es Fehlentwicklungen gibt." Tätig werden sollte Berlin aktuell dagegen beim Wärmemarkt. Denn Blockheizkraftwerke (BHKW) im Bestand seien heute nicht mehr wirtschaftlich. So dürfe ein Hausbesitzer, wenn er eine neue Technologie zur Wärmegewinnung einbaue, nicht mehr Geld von seinen Mietern nehmen, als der günstigste Gaskessel koste. "Ein BHKW kostet aber mehr", so Beckereit. Die aktuelle Praxis sei von der Politik als Maßnahme für mehr Mieterschutz konstruiert worden, passe aber nicht mit den energiepolitischen Zielen zusammen.
Die städtische Hamburg Energie sieht Beckereit fünf Jahre nach dem Start des Unternehmens auf einem guten Weg, wie er weiter zu energate sagte. "Wir hatten zunächst das Ziel von 80.000 Kunden", so Beckereit. Inzwischen versorge Hamburg Energie 90.000 Stromkunden und 15.000 Gaskunden mit Energie. "Zunächst wollten wir viele Kunden gewinnen, nun streben wir einen nachhaltigen Gewinn von Kunden an, also bei einer vernünftigen Marge." Ziel sei aber nicht, die Grundversorger anzugreifen. Für möglich hält Beckereit, dass jährlich 8.000 bis 15.000 Kunden hinzukommen.
Dass Hamburg Energie das selbst ausgegebene Ziel schon erreicht, erklärt Beckereit auch mit dem spezifischen Markt an der Elbe. Hamburg sei eine sehr grüne Stadt. Daher habe es dem neu gegründeten städtischen Versorger geholfen, dass die Grundversorger Vattenfall (Strom) und Eon Hanse (Gas) den Trend zu erneuerbaren Energien verschlafen hätten. Hinzu gekommen seien zum Unternehmensstart im Jahr 2009 die Brände im Vattenfall-Meiler Krümmel, die Atomkatastrophe von Fukushima und der Bau des Kohlekraftwerks Moorburg. "Hätte Vattenfall zudem den Namen Hamburgische Electricitätswerke nicht abgegeben, wäre kein Raum für Hamburg Energie gewesen", so Beckereit weiter.
Aktuell verfügt Hamburg Energie über 35 MW eigene Erzeugungsleistung. Dafür hat das Unternehmen rund 84 Mio. Euro ausgegeben. Für 2015 und 2016 sind weitere Projekte für rund 40 Mio. Euro geplant. Im vergangenen Jahr konnte der Versorger rund 39 Prozent seiner Kunden mit selbstproduziertem Strom versorgen, für dieses Jahr würden 50 Prozent angepeilt. Generell will Hamburg Energie im Jahr 2016 dividendenfähig sein und die Verluste aus den ersten Jahren abgetragen haben. 2014 sei das dritte Jahre in Folge gewesen, dass Hamburg Energie einen Gewinn mache. /df