Berlin (energate) - Der schwarz-roten Regierungskoalition steht bei der Neugestaltung des Strommarkts ein langwieriger Aushandlungsprozess ins Haus. Die Unionsfraktion meldet intensiven Beratungsbedarf an. Sie hat ihre Bedenken gegen die Eckpunkte, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 19. März vorgelegt hat (energate berichtete), in einen umfangreichen Fragenkatalog gegossen. Der enthält rund 150 Einzelfragen zu den Themen Versorgungssicherheit, Klimaschutz, Kapazitäts- und Netzreserve, Energieeffizienz, Netzausbau und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Die Union hält die geplante Energieklausur über das Strommarktdesign erst nach Beantwortung dieser Fragen für sinnvoll. "Wir wollen beim Strommarkt nichts übers Knie brechen, daher müssen wir uns ein solides Bild von den Plänen des Wirtschaftsministeriums machen", sagte ein Gesprächspartner aus der Unionsfraktion zu energate.
Die Energieklausur, bei der Gabriel mit den Energiepolitikern der Fraktionen von Union und SPD die Marschrichtung bei der Strommarktreform abstimmen will, sollte ursprünglich am 21. März stattfinden. Sie wurde inzwischen zweimal verschoben (energate berichtete). "Es gibt keinen neuen Termin", heißt es bei der Union. Die Fragen zeigen, wo die Union bei Gabriels Strommarkt 2.0 zögert. Die Knackpunkte sind der Verzicht auf einen Kapazitätsmarkt, die zusätzliche CO2-Abgabe für alte Kohlemeiler, die Kapazitätsreserve und das revidierte KWK-Ziel. So will die Union wissen, ob der "deutsche Strombedarf aktuell national über reguläre Bestandskapazitäten" gedeckt werden kann, wenn weder Wind- noch Sonnenstrom verfügbar sind. Sie fragt: Sind Stromimportrisiken erfasst? Welchen Preis soll die geplante Abgabe für CO2 2017, 2018 und 2019 haben? Welche Vertragslaufzeiten sollen die Reservekapazitäten haben? Sollen alle Kraftwerke der Netzreserve auf die Kapazitätsreserve angerechnet werden? Welcher Prozentwert wird als konkretes KWK-Ausbauziel anvisiert? Was ist die "hochprofitable" KWK, deren Förderung Gabriel kürzen will?
Die Unionsfraktion rüttelt damit am Zeitplan des sogenannten Strommarktdesign-Gesetzes. Eine nachhaltige Blockade ist aber wenig wahrscheinlich, da Gabriels Eckpunkte den "grünen Haken" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben. Das Wirtschaftsministerium sieht bislang keine Probleme. Die Fragen der Union würden "zeitnah" beantwortet. "Das geplante Gespräch mit den Koalitionsfraktionen ist ein Bestandteil eines breiten Dialog-Prozesses", erklärt eine Sprecherin von Gabriel. Parallel dazu liefen die Arbeiten am Weißbuch, das für Juni geplant ist. Es soll den Strommarkt 2.0 in den Grundzügen beschreiben. Im Herbst soll das Kabinett, so der Plan, das neue Strommarktdesign-Gesetz und die KWK-Gesetznovelle beschließen. Im folgenden parlamentarischen Verfahren wird sich allerdings nicht nur die Union mit ihren Bedenken Geltung verschaffen wollen, sondern auch die SPD-geführten Braunkohle-Länder Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie Bayern, wo das von der Abschaltung bedrohte Eon-Gaskraftwerk Irsching beheimatet ist (energate berichtete). /gk