Berlin (energate) - Nach dem Nein der Bundesregierung zum Kapazitätsmarkt verlagert sich die Debatte auf die EU-Ebene. Die EU-Kommission will im Juni ihre Konsultationen über das Design des Strombinnenmarktes aufnehmen. Dabei wird sie auch die Kapazitätsmarkt-Frage aufgreifen, kündigte EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete bei der Jahrestagung des Verbandes der europäischen Stromwirtschaft Eurelectric in Berlin an. Priorität habe aus Brüsseler Sicht der bestehende Strommarkt. Die Kommission werde sich aber auch die Kapazitätsmechanismen ansehen, die Länder wie Frankreich oder Großbritannien eingeführt haben. Es werde darum gehen, ob diese einen stabilen Rahmen für Versorgungsicherheit bieten und für Wettbewerber aus anderen Ländern offen sind. Die europäische Stromwirtschaft will mehr. Eurelectric appelliert an die Kommission, den Weg für Kapazitätsmärkte mit einheitlichen Rahmenbedingungen frei zu machen. "Kapazitätsmechanismen gibt es überall in der Welt. Die EU sollte nicht als Letzte kommen, sondern sich an den besten Beispielen orientieren", sagte der scheidende Eurelectric-Präsident und Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen.
Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake verteidigte die deutsche Entscheidung, angesichts der Überkapazitäten in der Stromerzeugung keine zweite Strommarkt-Abteilung für konventionelle Kraftwerke einzurichten. Die Investitionen in neue Kraftwerke müssten deshalb nicht leiden. Dafür würden die Preisspitzen, die bei schwacher Erneuerbaren-Einspeisung in der sogenannten Dunkelflaute anfielen, sorgen. "Wir garantieren den Investoren per Gesetz, dass es keine direkten und indirekten Preisschnitte gibt", so Baake. Dass Deutschland einen Sonderweg einschlage und die EU-Energiepolitik renationalisiere, ließ er nicht gelten. Deutschland habe immer auf einen europäischen Ansatz beim Strommarkt-Design gedrungen. Auch wenn einige Länder Kapazitätsmechanismen einführten, habe der gemeinsame Rahmen Bestand. So habe das Pentalaterale Energieforum ein Kooperationsabkommen zur Sicherung der Stromversorgung im Binnenmarkt vorbereitet. Das beinhalte den Verzicht auf die Kappung von Preisspitzen und werde in den kommenden Tagen unterzeichnet. Zu den Unterzeichnern gehörten sämtliche mit Deutschland vernetzten Stromnachbarn. Das sind Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Schweden, Norwegen, Polen, Tschechien, Österreich und die Schweiz.
Von Eurelectric kam scharfe Kritik an der Bundesregierung. "Deutschland überlässt die dringend erforderliche Überholung des Strommarktes den Nachbarn und will erst handeln, wenn es Versorgungsprobleme gibt", so Teyssen. "Kurzfristig und in Wahlperioden gedacht mag das funktionieren, besser ist es aber, den Markt zu reparieren, bevor es zu einem Marktversagen kommt." Eurelectric werde die Debatte zur Einführung von Kapazitätsmechanismen in der EU unterstützen, erklärte er. Auch BDEW-Chefin Hildegard Müller monierte, dass Baake die europäische Perspektive beschwöre, aber in einem Punkt, der das europäische Emissionshandelssystem betreffe, ausschere. /gk