Berlin (e21.info) - Nach heftiger Kritik aus der Öffentlichkeit und auf internen Druck löst sich der Gesamtverband der deutschen Dämmstoffindustrie GDI auf. "Ab dem 1. Oktober sind wir offiziell in Liquidation", sagte eine Sprecherin zu e21.info. Ende des Jahres soll die Auflösung des Verbandes, der beinahe vier Jahrzehnte bestand, abgeschlossen sein. "Zum Teil schwerwiegende Diskussionen in der Öffentlichkeit zum Thema Gebäudeenergieeffizienz und Wärmedämmung in Verbindung mit direkten Angriffen auf industrielle Dämmstoffe des GDI machen einen Neuanfang notwendig", erklärte sie. Zuvor hatten die vier Fachverbände FMI, FPX, IVH und IVPU ihre Mitgliedsschaft gekündigt. Sie fühlten sich vom GDI schlecht vertreten und stellten ihre Zahlungen ein. Die Lobbyarbeit wollen sie künftig womöglich zusammen oder in Eigenregie übernehmen. Der Dachverband sei nicht in der Lage gewesen, auf die Negativschlagzeilen angemessen zu reagieren, lautet ihre Kritik.
Die Dämmstoffindustrie sah sich in letzter Zeit massiven Vorwürfen ausgesetzt, etwa dass sich Gebäudedämmungen wirtschaftlich nicht lohnten und noch dazu gesundheitsgefährdend seien. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund als einer der größten deutschen Sanierungsträger warnte im Januar vor einem "Dämmwahn" (e21.info berichtete). Die Förderprogramme zur energetischen Gebäudesanierung müssten technologieoffen gestaltet und eine Fixierung auf Dämmmaßnahmen vermieden werden. Die Dämmung sei mit ökologischen Gefahren wie dem Austritt von Giftstoffen verbunden, ihre wirtschaftliche Amortisation zweifelhaft. Außerdem drohe "ein dauerhafter Verlust der Baukultur in den Kommunen durch monoton eingepackte Gebäude". Der GDI tat sich mitunter schwer, die Kritik zu entkräften. Eine Auftragsstudie vom April kam zu dem Ergebnis: "Eine allgemeingültige Aussage über die Wirtschaftlichkeit von Dämmmaßnahmen zu treffen ist äußerst schwierig.“
Zu schaffen machte dem Verband auch eine Affäre um vermeintlich falsche Qualitätssiegel. Der GDI ist zuständig, Dämmstoffe der einzelnen Hersteller zu normen und zu überwachen. Laut Medienberichten sollen Hersteller das Siegel zu Unrecht erhalten haben. Der GDI nahm die Vorwürfe gegen die Branche nach eigenen Angaben sehr ernst, wies aber jede Schuld von sich: "Sollte es tatsächlich zu falschen Angaben über die Wärmeleitfähigkeit der Produkte einzelner Produzenten gekommen sein, distanziert sich der GDI auf das Schärfste und verlangt eine lückenlose Aufklärung aller Beteiligten", hieß es in einer Mitteilung. Man erhoffe sich vom Forschungsinstitut FIW eine Änderung der Praxis für Entnahmen von Dämmstoffproben, "um in der Zukunft einem möglichen Missbrauch vorzubeugen".
Hinter dem möglichen Neuanfang steckt auch der Wunsch, bei der Berliner Politik mehr Gehör zu finden. Diverse Gesetzesinitiativen verliefen für die Branche zuletzt enttäuschend. Die jahrelang umstrittene Steuerförderung für die energetische Gebäudesanierung beispielsweise sagte die Bundesregierung Anfang des Jahres endgültig ab. Der GDI war Gesprächspartner des Bundes und der Länder bei der Fachdiskussion über die verschiedenen Wärmeschutz- und Energieeinsparverordnungen und deren Umsetzung in die Bauordnungen der Länder. /sh