Nur zwei der neuen Trassen in NRW verlaufen untertage. (Foto: Lechwerke)
Köln (energate) - Deutschland setzt zu stark auf den Stromtransport über lange Strecken und zu wenig auf dezentrale Lösungen. Dies war eine These, die bei der 14. Tagung des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (Ewi) diskutiert wurde. "Der Transport von Strom ist sehr teuer. Wir sollten stärker auf eine regionale Nutzung setzen und Überschussstrom im Verkehrs- und Wärmesektor verbrauchen", sagte der Vorstandsvorsitzende der RWE Deutschland AG, Arndt Neuhaus, in Köln.
Schon heute sei es theoretisch möglich, eine "erhebliche Zahl von Terawattstunden", die überschüssig im Stromnetz sind, im Verkehrssektor "smart zu entsorgen". Auch wenn das zentrale und dezentrale System noch "sehr, sehr lange" nebeneinander bestehen würden, sei der Aufbau einer bundesweiten Ladeinfrastruktur bereits heute erforderlich. "Und ganz wichtig ist ein intelligentes Energiemanagementsystem, damit wir künftig nicht alle gleichzeitig laden." Daneben seien vernünftige Konzepte für den Wärmesektor gefragt, um die dort ungenutzten, großen Potenziale zu erschließen, so Neuhaus. Es werde für Deutschland wohl nicht die eine Lösung geben, dagegen viel Bausteine für ganz unterschiedliche Städte und Regionen.
"Es ist immer noch eine Stromwende, bei Verkehr und Wärme tut sich politisch zu wenig", kritisierte auch die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Energieverbands BDEW, Hildegard Müller. Natürlich brauche nicht jeder Haushalt seinen eigenen Wärmespeicher im Keller. Aber es dürfte für Stadtwerke in Ballungszentren "eine spannende Frage" werden, wie sich Speicherlösungen für ganze Stadtteile entwickeln lassen. Sich im Strombereich nur auf den Übertragungsnetzausbau zu verlassen sei zu riskant, da er zu langsam vorankomme. "Die Einigung beim Thema Erdkabel wird nicht das große Akzeptanzproblem in Deutschland lösen", sagte Müller.
Das Energiekonzept der Regierung sei leider nicht so dezentral wie dies allgemein angenommen werde, sagte Prof. Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Ewi bei seinem Vortrag. Die konventionellen Kraftwerke waren grundsätzlich besser verteilt als die heutige lastferne Windstromproduktion in Nord- und Ostdeutschland. Somit würden die Transportwege grundsätzlich länger statt kürzer. Und die Investitionen konzentrierten sich bisher weitgehend auf das Übertragungsnetz, obwohl unter anderen Technologien auch die Nutzung des Gasnetzes über Power-to-Gas "eher geeignet sein könnte".
Dezentrale Lösungen etwa für Verkehr oder Speicher lassen sich in seinen Augen nur finden, wenn der Zeitpunkt des Stromverbrauchs den Strompreis verändern kann. Zudem plädierte Bettzüge für eine Umstellung des Netzentgeltsystems auf fixe Preise. So sollte die Netznutzung nicht nach verbrauchten kWh berechnet werden, sondern anhand der Leistung des Netzanschlusses. Dies sollte nicht nur für den Stromverbraucher, sondern auch die Stromerzeuger gelten. Für die Politik sei ein solches System wohl nicht einfach umzusetzen, räumte er ein, weil die Lösung "Abrechnung pro Kilowattstunde" einfacher zu vermitteln sei. Trotzdem glaubt Bettzüge an eine Umsetzung noch "in dieser Dekade". /mt
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