Brüssel (energate) - Die staatliche ukrainische Gasgesellschaft Naftogaz hat bei der "Energiegemeinschaft" formal Beschwerde gegen das Nord-Stream-2-Projekt eingereicht. Die Energiegemeinschaft umfasst die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie acht weitere europäische Staaten, zusammen wollen sie den Binnenmarkt für Strom und Erdgas errichten.
Naftogaz schreibt in einer Mitteilung, Nord Stream 2 verhindere zum einen die schnelle Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes innerhalb der Energiegemeinschaft. Zum anderen verstoße das Projekt gegen das gemeinschaftliche Kartellrecht, da es Wettbewerb verhindern soll. Da sich die Beschwerde gegen ein Vorhaben innerhalb der Europäischen Union richtet, hat das Sekretariat der Energiegemeinschaft sie an die Europäische Kommission weitergereicht. Ob die Beschwerde neue Untersuchungen durch die Kommission auslösen wird, ist aber noch unklar. "Wir kennen die Beschwerde noch gar nicht, sie ist bei uns noch nicht eingegangen", sagte eine Sprecherin der Generaldirektion Energie zu energate.
In dem Vertrag über die Energiegemeinschaft werden die energiepolitischen Beziehungen der Europäischen Union mit derzeit acht angrenzenden Staaten Südost- und Osteuropas geregelt. "Die Energiegemeinschaft ist im Grunde der energiepolitische Wartesaal für potenzielle EU-Beitrittskandidaten", erläuterte ein Analyst. Der Vertrag erlaubt auch Unternehmen aus den Unterzeichnerstaaten formale Beschwerden bei Verstößen gegen Recht innerhalb der Gemeinschaft.
"Inhaltlich bringt die Beschwerde nichts Neues", so der Analyst weiter, die Kommission untersuche ohnehin, ob das geplante Projekt mit den Regeln des dritten Binnenmarktpaketes vereinbar sei. Vertreter der Kommission haben dazu diverse Gespräche mit der deutschen Bundesregierung aber wohl auch mit der Bundesnetzagentur geführt, auch mit Gazprom hat es wohl schon Treffen gegeben. Die Analysen laufen noch. Da Nord Stream 2 für die Kommission noch kein "formales" Projekt ist, bleibt der Status der Untersuchung vage.
Ob für das Offshoreprojekt die wirtschaftliche Regulierung des dritten EU-Binnenmarktpaketes überhaupt angewendet werden kann, ist unter Experten ohnehin umstritten. Nach Einschätzung eines Beobachters sei es nun spannend, ob sich die EU-Mitgliedstaaten Polen und die Slowakei der Beschwerde anschließen werden. Solche Beschwerden, so seine Schlussfolgerung, würden es sehr erschweren, die EU bei der Beurteilung des Projektes außen vor zu halten.
Egal mit wem man über das Projekt redet - es wird stets seine hohe politische Sensibilität betont. In etlichen zentral- und osteuropäischen Staaten wird die Erweiterung der Ostseepipeline extrem kritisch beurteilt. Der slowakische Wirtschaftsminister Vazil Hudak hatte in einem Brief im Namen von sieben EU-Mitgliedstaaten von einer "schädlichen Wirkung auf die europäische Energieaußenwirtschaftspolitik" gesprochen. Der Brief war am 30. November an den EU-Vizekommissionspräsidenten für die Energieunion Maros Sefcovic geschickt worden. In anderen Ländern wie Deutschland werden hingegen der private Charakter des Projektes und die positiven Auswirkungen auf die Diversifizierung von Transportrouten betont.
Die Ostseepipeline Nord Stream 2 ist eine Erweiterung der bestehenden Erdgasleitung aus Russland nach Deutschland um zwei weitere Leitungsstränge. Nach ihrer Fertigstellung voraussichtlich Ende 2019 soll sie dann 110 Mio. Kubikmeter Erdgas jährlich liefern. An dem Projekt sind neben dem russischen Energiekonzern Gazprom auch Eon, Shell, OMV, Engie und Wintershall beteiligt. /hl