Dortmund (energate) - Energie wird immer intelligenter. Das betrifft die Nachfrage- ebenso wie die Angebotsseite. Schlagwörter wie Blockchain, Energiewende 4.0 oder Smart Markets machen die Runde. energate hat mit Dr. Markus Lammers, Leiter B2B Deutschland Innogy SE, über Lösungspakete und Dienstleistungen gesprochen, die Innogy in dem aktuellen Label "Virtuelles EVU" für Stadtwerke bündelt.
energate: Sind der klassische Energievertrieb und die klassische Energiebeschaffung in EVU ein Auslaufmodell? Welche Aussichten hat dieses Geschäft?
Lammers: Grundsätzlich haben Sie Recht. Das Geschäft verändert sich aktuell fundamental. Dennoch: Gemeinsam mit unseren vier Beteiligungsgesellschaften EnviaM, Lechwerke, Süwag Energie AG und VSE AG beliefern wir in Deutschland mehr als 400 Stadtwerke und EVU. Von einem Auslaufmodell würde ich daher auf keinen Fall sprechen. Klar ist aber, dass Partnerschaften und Geschäftsbeziehungen künftig über den reinen kWh-Vertrieb hinausgehen müssen. Hier stehen wir vor großen Herausforderungen. Dazu bedarf es all unserer Innovationskraft. Wir müssen den Kunden intelligente Lösungen anbieten, um weiterhin am Markt bestehen zu können.
energate: Das Commoditygeschäft hat 2016 vielen kleinen und großen Versorgern die Bilanzen verhagelt. Manche haben sich in der Folge sogar ganz aus dem B2B-Vertrieb zurückgezogen. Sind die dunklen Wolken weitergezogen? Welche Schritte sind in Unternehmen notwendig, um die Situation zumindest zu stabilisieren?
Lammers: Erstens glauben wir nach wie vor fest daran, dass das Stadtwerkegeschäft ein Relationship-Business ist. Es geht hier in erster Linie um Vertrauen. Jedes Stadtwerk, jedes EVU, hat bei uns einen persönlichen Ansprechpartner. Im Beratungsprozess mit dem Stadtwerk prüfen wir dann gemeinsam, welche Lösung in Abhängigkeit von der gerade aktuellen Situation vor Ort und den gegebenen Marktbedingungen am besten passt. Natürlich ist das energy+-Geschäft zunehmend wichtiger, wir steigen aber auch im Commoditybereich ganz bewusst in das Thema Lösungen ein. Reine Commodity wird es über kurz oder lang nicht mehr geben, dennoch sind klassische Maßnahmen zur Beschaffungsoptimierung und Netzsteuerung nach wie vor wichtig. Die Zukunft ist aber, Know-how und teure Infrastruktur zu teilen und jeden Partner seine Stärken ausspielen zu lassen. So können kleine und große Versorger voneinander profitieren.
energate: Was davon haben Sie in Ihrem Haus bereits umgesetzt? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Was bringt das Ihren Kunden?
Lammers: Wir setzen bei Innogy auf ein umfangreiches Dienstleistungsangebot, das wir auch permanent erweitern und aktualisieren. Dazu zählen Kooperationsmöglichkeiten rund um das Zukunftsthema E-Mobility. Großes Thema ist aktuell unser Label "Virtuelles EVU". Hier bieten wir ein integriertes Lösungspaket aus Dienstleistungs-, Risikoabsicherungs- und Commodityprodukten an, die modular zusammengesetzt werden können. Wir schauen uns also quasi ganz genau an, wie sich der Bedarf der Stadtwerke aufspaltet. Wir sind dabei - für Endkunden unsichtbar - im Hintergrund tätig. Darüber hinaus sind wir ja jüngst auch eigene Wege mit Unternehmen wie Kiwigrid (IoT-basierte Lösungen) oder Belectric (PV) gegangen. Dazu bieten wir auch Kooperationen in den Bereichen Smart Meter oder E-Mobility an. Wir sehen also jede Menge Potenzial für Stadtwerke zur Zukunftsgestaltung vor Ort. Der Markt ist da, wir müssen die Chancen nur nutzen. Stadtwerke und EVU können davon mit uns als Partner profitieren.