Berlin /Moskau (energate) - Der russische Energiekonzern Gazprom zentralisiert die Steuerung seiner wesentlichen Beteiligungen in Nordwesteuropa in einer neuen Holding. Mehrere unabhängige Quellen berichten übereinstimmend, dass eine Gazprom Germania Holding in Zukunft die Gesellschaften Gazprom Germania, Wingas, Astora, Gazprom Schweiz und Gazprom Marketing & Trading (GM&T) bündeln soll. Dies soll eine Angleichung der Aktivitäten der verschiedenen Unternehmen ermöglichen, begründet Gazprom in einem internen Memorandum den Schritt. Die neue Holding wird sieben Vorstandsmitglieder haben, Vorsitzender des Vorstands ist der Gazprom Germania Geschäftsführer Mikhail Sereda. Auch Dmitry Kotulskiy, bisher Wingas-Geschäftsführer (energate berichtete) gehört als kaufmännischer Vorstand dem Gremium an. Der Sitz der Holding ist nicht bekannt, einige Beobachter spekulieren, es werde St. Petersburg sein.
Einschitte bei Londoner Handelstochter
Gleichzeitig wird wohl Gazprom die Londoner Handelsgesellschaft GM&T deutlich beschneiden. Der Vorstandsvorsitzende, bisher in Personalunion auch Mitglied der Wingas-Geschäftsführung, Vitaly Vasiliev, ist ausgeschieden. Die Geschäftsführung besteht nur noch aus Andrei Mikhalev sowie Lavrentij Piljagin (gleichzeitig Wingas-Geschäftsführer). Alle Aufsichtsgremien bei GM&T wurden aufgelöst. Für die Handelsgesellschaft soll es einen Beirat auf der neuen Konzernebene geben.
Quellen aus dem Umfeld des Konzerns, mit denen energate gesprochen hat, konnten über die Auswirkungen auf die Gazprom-Strategie nur rätseln. "In dem neuen Konzernvorstand sitzen vor allem Verwalter", meinte eine Quelle. "Neben Möhring bei Wingas hat man mit Vasiliev bei GM&T noch jemanden abgelöst, der das Geschäft marktorientiert weiter entwickeln wollte", sagte eine andere Quelle. Ein Analyst zeigte sich irritiert über die Entwicklungen, sie seien - auch aufgrund der fehlenden Kommunikation - nicht nachvollziehbar.
Gazprom bekennt sich weiter zum europäischen Markt
In der vergangenen Woche hatten auf der European Gas Conference sowohl Gazprom-Vorstand Alexander Medwedew, als auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, Viktor Zubkov, noch ein klares Bekenntnis zum europäischen Markt abgegeben. 2017 hat Gazprom rund 190 Mrd. Kubikmeter Erdgas nach Europa exportiert - eine Rekordmenge. In den kommenden Jahren soll der Export auf diesem Niveau bleiben. Mit den aktuellen Entscheidungen erleichtere sich der Konzern zumindest in Deutschland das Geschäft nicht, meinte ein Beobachter. "Für uns ist die Entwicklung gut", sagte der Vertreter eines Gazprom-Konkurrenten. /hl