Essen (energate) - RWE darf die alten Bezugsverträge aus dem Kohlekraftwerk Datteln nicht kündigen und muss daher Strompreise über Marktniveau in Kauf nehmen. Das Landgericht Essen hat dem Kraftwerksbetreiber Uniper Recht gegeben, der sich gegen die Kündigung wehrte. "Vorübergehende Verlustzeiten" würden nicht ausreichen, um den Liefervertrag über § 315 BGB zu beenden, begründete Richter Ralf Banke in Essen. Das Preisrisiko habe RWE, die selbst professioneller Kraftwerksbetreiber sei, beim damaligen Abschluss überblicken können. Die Risikoverteilung sieht das Landgericht so, dass Uniper das Errichtungsrisiko für das Kraftwerk trägt und RWE das Vermarktungsrisiko des Stroms inklusive des Risikos geänderter Clean-Dark-Spreads für Kohlekraftwerke.
Bereits 2005 und 2006 hatte RWE mit dem Eon-Konzern, aus dem Uniper hervorgegangen ist, zwei Stromabnahmeverträge für Datteln 4 unterzeichnet. Wie der Richter in Essen vortrug, kommen beide Verträge auf eine Gesamtleistung von 450 MW. Ursprünglich sollte das 1.100 MW-Kraftwerk schon 2011 ans Netz gehen. Nach mehreren gerichtlich verordneten Zwangspausen kamen zuletzt noch Stahlprobleme hinzu. So ist der schon mehrfach verschobene Start Ende dieses Jahres vermutlich auch nicht mehr zu halten (energate berichtete). RWE kündigte die Verträge schließlich im Jahr 2016 und argumentierte in dem Verfahren, dass die Bauverzögerungen "schwerwiegende Veränderungen" des Vertrages mit sich bringen. Auch bei Großprojekten übliche Verspätungen seien um das Dreifache übertroffen worden. Richter Banke räumte dies zwar ein. Die Verzögerung sei mit Blick auf die lange Vertragsdauer aber nicht groß genug. Und Umweltschutzrisiken seien bei solchen Großprojekten nur schwer einzukalkulieren.
Formale Ansätze scheiterten ebenfalls
Ein weiteres Argument des Landgerichts Essen lautet, dass RWE über Verhandlungen den Vertrag auf verschiedenen Ebenen hätte anpassen können. "Das ist ja theoretisch möglich", sagte Banke bei der Urteilsverkündung. Neben dem energiewirtschaftlichen Argument über den Strompreis versuchte RWE auch über andere formale Wege aus den Verträgen zu kommen. Die Umstrukturierungen bei beiden Konzernen sollten beispielsweise ausreichen, um über § 314 BGB eine Kündigung hinzubekommen. Zudem habe Eon über den Fortum-Einstieg nicht ausreichend informiert, so ein weiteres Argument. Aber auch hier winkte das Landgericht ab und sah keine Grundlage, am deutschen Prinzip der Rechtsgültigkeit von Verträgen zu rütteln. Allerdings ist das Urteil des Landgerichts Essen noch nicht rechtskräftig. Einen Monat hat RWE Zeit, um in Berufung zu gehen. /mt