Berlin (energate) - Die Umweltorganisation WWF geht mit einem Vorstoß für das nationale Klimaziel 2020 in die politische Offensive. "Die sofortige Einführung eines CO2-Mindestpreises von 25 Euro/Tonne im Stromsektor - kombiniert mit der Stilllegung von 7.000 MW Braunkohlekraftwerken - bringt eine CO2-Minderung von 77 Mio. Tonnen und schließt die Lücke beim 40-Prozent-Ziel zu 85 Prozent", erklärte Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF, in Berlin. Um das Ziel vollends zu erreichen, müssten die nicht dem EU-Emissionshandel (ETS) unterliegenden Bereiche Verkehr, Industrie und Landwirtschaft zusätzlich noch 13 Mio. Tonnen CO2 reduzieren. Bei den Klimazielen stehe der Stromsektor wegen seiner kurzfristig hebbaren CO2-Minderungspotenziale im Fokus, betont Schäfer. Da auch ein reformierter EU-Emissionshandel diese nicht aktiviere, seien zusätzliche Instrumente nötig. Der CO2-Mindestpreis sei besonders wirksam, wenn ihn mehrere EU-Staaten im Verbund einführten. Die Signale aus Frankreich und den Niederlanden zeigten: "Eine europäische-regionale CO2-Mindestbepreisung kann beginnen, sobald die Bundesregierung die Initiative ergreift."
Unterlegt ist das mit einer Studie, in der das Öko-Institut verschiedene Varianten eines CO2-Mindestpreises im Stromsektor durchspielt. Danach klafft auf dem Weg zum 40-Prozent-Ziel (bis 2020) eine Lücke von 12 Prozentpunkten, beim 55-Prozent-Ziel (bis 2030) eine Lücke von 27 Prozentpunkten. Die bisherigen Instrumente versprechen in den nächsten Jahren nur Minderungen von 4 bis 5 Prozentpunkten. "Werden keine Regelungen ergriffen, um vor allem die Kohlestromproduktion zu begrenzen, werden bei weiterhin niedrigem CO2-Preis die Emissionen des Stromsektors wie auch die CO2-intensiven Nettostromexporte aus Deutschland auf hohem Niveau verharren", erläuterte Studien-Leiter Felix Matthes in Berlin. Mit einem CO2-Mindestpreis zwischen 15 und 35 Euro/Tonne ließen sich dagegen die im Stromsektor angestrebten Emissionsziele von 250 bis 180 Mio. Tonnen CO2 erreichen und die Stromexporte abbauen.
Beherrschbare Mehrkosten
Die ETS-Reform sichere diese Zusatzmaßnahmen ab, sodass die Verlagerungseffekte ins EU-Ausland begrenzt seien. "Ein gemeinsamer CO2-Mindestpreis im zentral-westeuropäischen Regionalmarkt begrenzt diese Effekte noch deutlicher", so Matthes. Die Preiseffekte sind in seinen Augen beherrschbar. Sie liegen bei einem CO2-Mindestpreis von 25 Euro bei 13 Euro/MWh. Bei den EEG-Umlage zahlenden Endkunden schlügen sie nur zur Hälfte zu Buche, da sich die Umlage entsprechend verringert. Der CO2-Mindestpreis bringe dem Staat 2 bis 4,4 Mrd. Euro zusätzliche Einnahmen, womit sich die Mehrkosten der stromintensiven Industrie mehr als kompensieren ließen. Frankreich ist laut Matthes sowohl Gewinner wie auch Verlierer eines CO2-Mindestpreises. Nutznießer ist etwa der Atomstromproduzent EDF, die französischen Stromkunden, die mit Strom heizen, trügen indes den Großteil der Kosten.
Nein vom BDEW
Der BDEW hat mit Ablehnung auf den WWF-Vorstoß reagiert. Die dem ETS unterliegende Energiewirtschaft habe "erhebliche CO2-Einsparungen geliefert", so BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Nicht geliefert hätten hingegen die Nicht-ETS-Sektoren. "Die Politik muss jetzt dringend ihren Fokus auf diese Bereiche richten." Der CO2-Ausstoß dieser Wirtschaftszweige müsse endlich einen Preis bekommen. Der WWF argumentiert dagegen, dass eine sektorübergreifende CO2-Bepreisung sehr langwierig sei und ohnehin kein Weg an zusätzlichen CO2-Einsparungen im Stromsektor vorbeiführe. /gk