Essen (energate) - Die Partner des Sinteg-Projekts "Enera" haben ihre Marktplattform zur Vermeidung von Netzengpässen scharf geschaltet. Der Autohersteller Audi verkaufte bei dem ersten Trade zwei MW aus seiner Power-to-Gas-Anlage in Werlte (Niedersachsen) an den Verteilnetzbetreiber EWE. 45,50 Euro/MWh war es dem Netzbetreiber wert, dass er eine Windanlage nicht abregeln musste. "Wir zählen Tausende Eingriffe pro Jahr. Das wollen wir in der gelben Ampelphase deutlich reduzieren", sagte Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWE Netz, auf einer Pressekonferenz im Rahmen der "E-world 2019". Der Vorteil von Netzbetreibern liege nicht nur darin, dass sie die Zahlungen an Windkraftbetreiber von 90 bis 100 Euro/MWh einsparen, sondern auch perspektivisch weniger in den Netzausbau investieren müssen.
Seit gut einem Jahr entwickelt die Börse Epex Spot gemeinsam mit den Netzbetreibern EWE, Tennet und Avacon lokale Orderbücher, in denen die Flexibilitätsangebote aggregiert werden (
energate berichtete). Handelbar sei im Rahmen des Forschungsprojektes Enera zunächst eine Größe von einem MW. "Theoretisch können wir bis zu 100 kW herunter gehen. Darunter wird es aber zu aufwendig und kleinteilig", sagte Philippe Vassilopoulos, Direktor Produktentwicklung bei der Strombörse Epex Spot, auf energate-Nachfrage. Je mehr Liquidität in den Marktplatz kommt, desto weniger Geld müssen die Netzbetreiber für die Flexibilität zahlen. "Wir hoffen natürlich, dass wir über die Null kommen. Dafür brauchen wir aber weitere Partner", sagte Thorsten Dietz, Senior Manager bei Tennet. Eine Mrd. Euro habe der Übertragungsnetzbetreiber im vergangenen Jahr für Engpassmanagement ausgegeben. "Wir benötigen dringend alle Flexibilität, die wir in den Spannungsebenen bekommen können", erläuterte Dietz. Auch Tennet wird bald als Käufer auftreten, um beispielsweise einen Offshore-Park nicht abregeln zu müssen. "Wir planen erste Trades für März oder April", kündigte der Manager an.
Erste Flexibilitätsanbieter unter Vertrag
Der Abnehmer Audi ist mit den 45,50 Euro/MWh nicht unzufrieden. "Wir nehmen diesen Strom sehr gerne. Unser Geschäftsmodell ist es, Strom zu verbrauchen, wenn er da ist", sagte Hermann Pengg, Geschäftsführer der Audi Industriegas, während der Pressekonferenz. Gleichwohl betonte er, dass die 5-MW-Anlage damit noch keinen Gewinn erziele und sich der Wirtschaftlichkeit nur nähere. Mit dem Strom produziert Audi Wasserstoff, der abgefüllt und zu Tankstellen gefahren wird. Alternativ lässt sich der Wasserstoff nach Zugabe von CO2 als "E-Gas" aufbereiten. Neben Audi haben sich vier weitere Flexibilitätsanbieter schon in Stellung gebracht, darunter Baywa Re, Statkraft, Alpiq und die Enercon-Gesellschaft Quadra Energy. Es gebe noch mehr Anfragen, sagte der Epex-Direktor ohne Namen zu nennen.
Die Projektpartner betonten gemeinsam, dass die neue Plattform auch nach Auslaufen des Sinteg-Projekts 2020/21 nicht enden soll. "Schon die Teilnahme der Epex Spot zeigt, dass der Ansatz nicht regional begrenzt bleiben soll", sagte der Technikvorstand der EWE AG, Urban Keussen. Er sehe das Potenzial, den Ansatz auf ganz Deutschland auszuweiten und sprach von einem "historischen Tag" für die Energiebranche. /mt