Essen (energate) - Der Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg, Helmut Herdt, sieht die Fusion von Eon und RWE "wirklich entspannt". Auch eine neue, größere Netzgesellschaft werde "systemisch ähnliche Probleme haben wie ein ganz normales Stadtwerk", sagte er im Interview mit energate. Die könne man dann gemeinsam an die Bundesnetzagentur adressieren. Welche Änderungen sich auf der Vertriebsseite ergeben werden, müsse man zunächst abwarten. Herdt ist auch Landesvorsitzender des Verbandes kommunaler Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Eon ist dort über die Netztochter Avacon aktiv, RWE über EnviaM.
Beim Kohleausstieg sieht Herdt Ostdeutschland stärker betroffen als Westdeutschland. Hier gebe es kaum andere Unternehmen, die die wegfallenden Arbeitsplätze auffangen könnten. Bislang sei das Umfeld der bisherigen Braunkohlereviere für viele Unternehmen wirtschaftlich nicht attraktiv genug. Es sei auch fraglich, ob eine Verbesserung der Infrastruktur entsprechende Abhilfe schaffen könne. Der Kohleausstieg daher mit Blick auf den Strukturwandel "sehr ambitioniert", insbesondere in der Lausitz.
Höhere Anreize für Flexibilisierung von Lasten
Weniger gravierend dürften die Folgen für Ostdeutschland aus energiewirtschaftlicher Perspektive sein, auch wenn man ein Auge auf die Versorgungssicherheit haben müsse. So kommt Sachsen-Anhalt heute schon auf einen Erneuerbaren-Anteil von fast 80 Prozent. Davon werde derzeit noch ein großer Teil exportiert. Herdt forderte: "Künftig müssen wir schauen, wie wir einen höheren Anteil davon selbst nutzen können.“ Am erfolgversprechendsten hält der Stadtwerke-Chef die Flexibilisierung auf der Nachfrageseite: "Eine gute Flexibilisierung der Lasten würde natürlich erstens weniger Speicher, zweitens weniger Erzeugung und weniger Netzausbau bedeuten." Hier brauche es aber ein anderes Marktregime, damit die Flexibilitätsbereitstellung für Unternehmen attraktiver werde. Zudem plädierte Herdt für größere Forschungsanstrengungen.
Signale für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren können seiner Meinung nach durchaus auch vom Markt kommen. Als Beispiel nannte er das Ende 2016 in Betrieb genommene Biomassekraftwerk seines Unternehmens. Ein Immobilienunternehmen hatte grüne Fernwärme für seine Hochhäuser angefragt. Die Städtischen Werke seien dieser Nachfrage mit dem Bau des Kraftwerks und einem neuen Fernwärmenetzes nachgekommen. Gleichwohl glaubt Herdt nicht, dass man mit dem Auslaufen der EEG-Vergütung alles dem Markt überlassen dürfe - sonst bestehe die Gefahr eines größeren Desinvestments. Sein Plädoyer: "Die Politik wird hier stabilisierend eingreifen müssen." /sd