Stuttgart (energate) - Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW hat den Zuschlag für den Bau eines Kraftwerkes zur Netzstabilisierung an den Mutterkonzern EnBW vergeben. Der Energieversorger soll am Standort Marbach ein mit Öl betriebenes Kraftwerk bauen. Die Entscheidung dürfte für Stirnrunzeln sorgen, nicht nur weil die Anlage mit Öl befeuert wird, sondern auch weil Transnet BW als 100-prozentige Tochter von EnBW den eigenen Mutterkonzern mit dem Bau beauftragt hat. Das Kraftwerk mit 300 MW Leistung ist Teil der besonderen netztechnischen Betriebsmittel nach Paragraf 11 Abs. 3 EnWG, die die Netzbetreiber ausschreiben dürfen. Die Anlagen mit insgesamt 1.200 MW sollen im Süden die Netzstabilität auch nach dem Ausstieg aus der Kernenergie absichern, solange die Übertragungsnetze vom Norden aus quer durch die Republik noch nicht fertiggestellt sind. Sie nehmen nicht am normalen Marktgeschehen teil. Das Kraftwerk in Marbach wird als offene Gasturbine errichtet, soll aber wegen der mangelnden Gasversorgung vor Ort mit leichtem Heizöl betrieben werden. "Da lediglich sehr geringe Einsatzzeiten der Anlage erwartet werden, hat der dabei eingesetzte Brennstoff keine wesentliche Auswirkung auf die Umwelt", betonte der Bauherr EnBW nach Bekanntgabe des Zuschlags. Für den Einsatz von Öl spreche zudem, dass sich der maximale Brennstoffbedarf für ein ganzes Jahr in bereits vorhandenen Öltanks direkt am Standort lagern lasse.
Debatte um Ausschreibungen
Die Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Amprion und Transnet BW hatten bereits im Juni 2018 die besonderen netztechnischen Betriebsmittel ausgeschrieben. Vorgesehen sind zwölf Lose, die sich regional auf vier Losgruppen aufteilen. Der erste Zuschlag ging an den Konzern Uniper, der am bestehenden Kraftwerksstandort Irsching ein neues 300-MW-Gaskraftwerk bauen soll (energate berichtete). Verfügbar sein müssen alle Anlagen ab Oktober 2022. Das Verfahren stand von Anfang an in der Kritik, nicht nur wegen der hohen Kosten für die Verbraucher oder der Benachteiligung von Speichern und Demand-Side-Management, sondern auch aus Gründen des Unbundlings. Für Diskussionen in der Branche sorgte die Formulierung, dass die Netzbetreiber die Kraftwerke besitzen und betreiben sollen, was ein Verstoß gegen die Entflechtungsvorgaben bedeutet hätte. Mit der Bereitstellung der netztechnischen Betriebsmittel sollen daher nun ausdrücklich Dritte beauftragt werden. Die aktuelle Entscheidung wirft in der Praxis zumindest Fragen auf. Laut Ausschreibung sind nämlich hohe Pönalen vorgesehen, sollte der Betreiber die 100-prozentige Verfügbarkeit seiner Anlage nicht gewährleisten können. In diesem Fall müsste dann EnBW im Falle eines Falles die Strafe an das eigene Unternehmen zahlen.
Ausschreibungen verzögern sich
Anfang 2019 hatte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet dem Energiekonzern Uniper den Zuschlag für den Bau eines neuen 300-MW-Gaskraftwerkes als erstes besonderes netztechnisches Betriebsmittel erteilt (Losgruppe D). Zwei Verfahren (Losgruppe A und C) wurden gestoppt. Wie energate im März erfuhr, hatten beteiligte Unternehmen rechtliche Schritte gegen das Verfahren eingeleitet (energate berichtete). Betroffen war der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der sich zu den Gründen damals nicht äußerte. Das Verfahren in Losgruppe B von Transnet BW lief dagegen weiter. Ursprünglich sollte der Zuschlag bereits im Frühjahr erfolgen, verzögerte sich aber. "Hinter uns liegt ein anspruchsvolles Ausschreibungsverfahren, denn es galt, ein völlig neuartiges Produkt zu beschaffen", kommentierte jetzt Rainer Pflaum, Geschäftsführer der Transnet BW. Auch Achim Zerres, Leiter Energieregulierung bei der Bundesnetzagentur, sieht für die Verzögerungen die "hinreichend schwierige Materie" und komplizierte Ausschreibungsbedingungen in der Verantwortung. Die geforderte 100-prozentige Verfügbarkeit, die bei Ausfällen zu "empfindlichen Strafzahlungen" führt, sei die Branche so nicht gewohnt, sagte er im Interview mit der energate-Publikation emw. /kw