Luxemburg (energate) - Der russische Energiekonzern Gazprom hat seine Ausnahmegenehmigung für den Gastransport durch die ostdeutsche Opal-Leitung verloren. Diese Genehmigung ermöglichte dem Konzern bislang die volle Nutzung der Kapazitäten der Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (Opal). Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat nun befunden, dass die EU-Kommission bei der Ausnahmegenehmigung wesentliche Aspekte der Solidarität im Energiesektor nicht beachtet habe. Damit geben die Richter einer Klage Polens im Wesentlichen statt (Rechtssache T-883/16). Im Dezember 2016 hatte Polen Klage gegen die Ausnahmegenehmigung erhoben.
Polen sieht Versorgungssicherheit in Gefahr
Die Opal leitet russisches Erdgas aus der Ostsee-Pipeline "Nord Stream 1" weiter durch Deutschland bis nach Tschechien. Sie ging 2011 in Betrieb und hat eine jährliche Kapazität von 36,5 Mrd. Kubikmetern. Laut Ausnahmegenehmigung durfte Gazprom die übliche Kapazitätsobergrenze von 50 Prozent unter bestimmten Voraussetzungen überschreiten (
energate berichtete). Durch diese deutlich erweiterte Nutzung der Transportkapazitäten für Gazprom Export sah Polen seine Versorgungssicherheit gefährdet. In Kombination mit der noch im Bau befindlichen "Nord Stream 2" würde noch mehr russisches Gas vorbei an Polen und der Ukraine nach Westeuropa fließen, so die Argumentation.
Reaktionen und Folgen
Mit der jetzigen Entscheidung könnte die Kapazitätsnutzung der Opal zum Status vor dem Vergleich zurückkehren:
50 Prozent für Gazprom Export, der Rest für Dritte im transparenten Ausschreibungsverfahren zugänglich. Berücksichtigt man das bisherige Nutzungsverhalten der Pipeline, könnte die Leitung als Konsequenz zur Hälfte leer bleiben, so die Einschätzung einiger Branchenexperten, die sich auf energate-Anfrage geäußert haben. Rechnet man die möglichen Verzögerungen bei "Nord Stream 2" dazu (
energate berichtete) und den Ende 2019 auslaufenden Transitvertrag mit der Ukraine, könnte dies zu einer Verknappung der Gasmengen auf dem Markt führen. Auch Gazprom könnte das bei den Lieferverpflichtungen gegenüber seinen Kunden vor Herausforderungen stellen. Offen ist zudem, ob bestehende Buchungen rückgängig gemacht werden müssen.
Mit der Aufhebung der Ausnahmegenehmigung von 2016 gelte nun wieder die Freistellungsgenehmigung von 2009, erläutert Benedikt Schuler, Geschäftsführer von "vp Energieportfolio". Nach der Freistellungsgenehmigung von 2009 müsste Gazprom lediglich ein Gas-Release in Tschechien durchführen, um auch die übrigen 50 Prozent nutzen zu können, sagte er zu energate. Die Bundesnetzagentur könnte die gesamte Freistellung aber auch aufheben, weil in der Zwischenzeit die Entflechtungsbestimmungen vollkommen umgangen wurden. "Die Bundesnetzagentur nimmt das Urteil zur Kenntnis. Welche Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils jetzt erforderlich sind, wird geprüft. Wir beabsichtigen über weitere Schritte kurzfristig zu entscheiden", sagte ein Sprecher der Regulierungsbehörde zu energate.
Die Betreibergesellschaft Opal Gastransport gab sich nach dem Urteil zurückhaltend. Die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union habe man zur Kenntnis genommen, ihre Begründung werde überprüft, hieß es auf energate-Anfrage. Auch Gazprom Export will "die rechtlichen sowie die kommerziellen Folgen der EuG-Entscheidung prüfen", so eine Sprecherin zu energate. /am