Berlin (energate) - Systemrelevante Steinkohlekraftwerke können auf Anordnung des Übertragungsnetzbetreibers auf Gas umgerüstet werden. So steht es im aktuellen Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes. Die Kosten dafür sollen die Stromkunden tragen.
In dem Entwurf steht, dass ein Übertragungsnetzbetreiber "die Umrüstung einer in seinem Netzgebiet liegenden Steinkohleanlage" verlangen darf, sofern diese zur endgültigen Stilllegung angezeigt wurde und "ohne Umrüstung" als systemrelevant eingestuft worden wäre. Hintergrund ist der wachsende Bedarf an Kraftwerken für die Netzreserve, die für netzstabilisierende Redispatch-Maßnahmen eingesetzt werden. Das Runter- und Hochregeln von Kraftwerken hängt vor allem mit dem mangelnden Netzausbau zusammen, der den Stromtransport von Norden nach Süden erschwert. Für den Winter 2019/2020 sind laut Bundesnetzagentur Anlagen mit einer Leistung von 5.126 MW in der Netzreserve kontrahiert. Der Bedarf steigt aber in den kommenden Jahren deutlich an, sobald im Süden Kernkraftwerke vom Netz gehen. Laut aktueller Prognose der Bundesnetzagentur aus dem April 2019 wird der Bedarf im Winter 2022/2023 bereits bei 10.647 MW liegen. Der von der Bundesregierung vorgesehene schrittweise Kohleausstieg ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Viele offene Fragen
Mit der nun vorgesehenen Möglichkeit, Steinkohleanlagen auf Gas umzurüsten hätten die Übertragungsnetzbetreiber die Möglichkeit, die Netzreserve in den kommenden Jahren weiter zu vergrößern. Betroffen wären vor allem Anlagen in Süddeutschland. Die Kosten für den Umbau würden auf die Netzentgelte umgelegt. Genauere Angaben dazu finden sich allerdings nicht im Entwurf. Bei geschätzten Kosten von 500 Euro pro kW könnten diese schnell in den mehrstelligen Millionenbereichen gehen. Ebenso "angemessen" vergütet werden soll laut Entwurf die Kosten für die Belegschaft, die die Anlagen für den Bedarfsfall bereithalten. Was das bedeutet, bleibt ebenso unklar.
Kritik an hohen Kosten
Kritiker halten die Umrüstung alter Kohleanlagen für Geldverschwendung. "Die Übertragungsnetzbetreiber sollen hier unter dem Deckmantel der Versorgungssicherheit neue und kostenintensive Eingriffsrechte bekommen", sagt Henry Borrmann, Leiter Energiepolitik beim Verband "Die Familienunternehmer", der laut eigenen Angaben rund 180.000 Unternehmen vertritt. Ziel muss in seinen Augen vielmehr sein, kosteneffizient CO2 einzusparen. Ein potenziell hoher dreistelliger Millionenbetrag für das Umrüsten sei alles andere als sinnvoll und bringe dem Klima wenig, kritisierte Borrmann. Denn die Kraftwerke in der Netzreserve dürfen nicht am Strommarkt teilnehmen. Die Maßnahme gilt solange, bis die Übertragungsnetze ausgebaut sind. Danach gehen die Kraftwerke, die zur Stilllegung angezeigt waren, endgültig aus dem Markt. Borrmann hält das Vorhaben für "maximale Geldverschwendung". Er sieht Kosten von mehreren zehntausenden Euro pro Tonne auf die Stromkunden zukommen. "Nahezu jede andere Lösung wäre im Bereich der Versorgungssicherheit aus meiner Sicht kosteneffizienter und ökonomisch sowie ökologisch nachhaltiger, etwa das Lastmanagement.“ /kw