Berlin (energate) - Die Bundesregierung will im laufenden Jahr 4.000 MW Steinkohle abschalten. Das Vorhaben gerät durch die Verzögerungen beim Kohleausstiegsgesetz in Gefahr. Im November 2019 war das Bundeswirtschaftsministerium in einem Entwurf zum Kohleausstiegsgesetz noch davon ausgegangen, dass die erste Abschaltausschreibung bei der Steinkohle zum 1. Juli 2020 starten könne (energate berichtete). Dieses Datum ist im aktuellen Gesetzentwurf bereits nicht mehr enthalten. Nun heißt es, der Gebotstermin könne frühestens in dem Monat liegen, der dem Inkrafttreten des Gesetzes um zwei Monate nachfolgt (energate berichtete). Vier Wochen vorher erfolgt die Bekanntmachung.
Das Vorhaben, im laufenden Jahr tatsächlich 4.000 MW Steinkohle vom Netz zu nehmen, ist trotz des im Gesetzentwurf vorgesehen verkürzten Verfahrens für die erste Abschaltrunde mehr als ambitioniert. Die Bundesnetzagentur muss die eingehenden Gebote prüfen und Zuschläge erteilen. Auch die Netzbetreiber haben ein Wort mitzureden. Das Verbot der Kohleverfeuerung soll laut Entwurf im verkürzten Ausschreibungsverfahren 2020 sieben Monate nach der Bekanntgabe des Zuschlags durch die Bundesnetzagentur wirksam werden.
Parlamentarisches Verfahren
Weiterhin ist unklar, wann das Kohleausstiegsgesetz tatsächlich ins Bundeskabinett geht. Aktuell wird der 22. Januar als Termin gehandelt. Entgegen der ursprünglichen Planungen soll eine Lösung für Braun- und Steinkohle bereits im Regierungsbeschluss enthalten sein. Das erhöht den Einigungsdruck. Selbst wenn die Bundesregierung das Kohleausstiegsgesetz noch im Januar beschließt, dürfte sich der Bundestag erst im März damit befassen. Denn Gesetzesvorlagen sind zunächst dem Bundesrat für eine Stellungnahme zuzuleiten, für die dieser bis zu sechs Wochen Zeit hat. Erst dann wird das Gesetz dem Bundestag für Beratung und Beschluss zugesandt. Auch dort dürfte das Gesetz nicht einfach durchgehen.
Die Neigung der Abgeordneten, sich auf ein vereinfachtes parlamentarisches Verfahren einzulassen, wie zuletzt beim Klimapaket, ist dem Vernehmen in den Regierungsfraktionen überschaubar. Aus der Unionsfraktionen wurden zuletzt zudem Stimmen laut, die auf ein energiepolitisches Gesamtpaket inklusive der Förderbedingungen für erneuerbare Energien dringen (energate berichtete). Das gesamte Verfahren würde dadurch nicht leichter. Unsicher ist daher, ob der Bundesrat, wie vorgesehen, bereits am 15. Mai über das Kohlegesetz entscheiden kann. Vor der Sommerpause gibt es noch zwei Plenarsitzungen der Länderkammer.
Einen definitiven Zeitrahmen für die Verhandlungen haben übrigens die Mitglieder der Kohlekommission gesetzt. "Für den Fall, dass eine einvernehmliche Lösung mit den Betreibern von Braunkohlekapazitäten nicht bis zum 30. Juni 2020 erfolgt ist, empfiehlt die Kommission, eine ordnungsrechtliche Lösung mit Entschädigungszahlungen", heißt es im Abschlussbericht des Gremiums.
Treffen in Wirtschaftsministerium und Kanzleramt
Der Zeitdruck dürfte bei den wohl finalen Gesprächen in der laufenden Woche eine Rolle spielen. Am Dienstag (14. Januar) steht bei einem Termin mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke im Bundeswirtschaftsministerium noch einmal das Thema Entschädigungen auf der Agenda. Am 15. Januar kommen dann die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kohleförderung ins Kanzleramt. Die Länderchefs haben vorab schon einmal den Druck erhöht. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte in der "Rheinischen Post" eine Woche der Entscheidungen. Die Beschäftigten in den Regionen brauchten Klarheit. Es müsse zudem sicher sein, dass die finanziellen Zusagen des Bundes langfristig Bestand haben, so Laschet.
Grüne sehen Entschädigungen skeptisch
In der Energiebranche ist das Unverständnis über das langsame Handeln der Regierung seit Wochen spürbar. BDEW-Chefin Kerstin Andreae forderte kürzlich im Interview mit energate eine schnelle Verabschiedung des Kohlegesetzes, damit der Abschaltplan nicht in Gefahr gerät.
Ätzende Kommentare kommen auch von der Opposition. Es sei Trauerspiel, dass die Bundesregierung ein Jahr nach dem Ende der Kohlekommission immer noch nicht in der Lage sei, den Kohleausstieg in Gesetze zu gießen, sagte der Grüne-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass sich die Kohlekonzerne nun eine goldene Nase an ihren seit Jahrzehnten abgeschriebenen Schrottreaktoren verdienen. "Die abgeschriebenen Kraftwerke können auch ohne unangemessene Entschädigungen abgeschaltet werden", so Hofreiter. /kw