Berlin (energate) - Die Mahner vor einer Erzeugungslücke im deutschen Strommarkt mehren sich. Auch die Beratungsgesellschaft Energy Brainpool warnt vor aufkommenden Knappheiten in naher Zukunft. "Unsere Berechnungen legen nahe, dass mit dem parallelen Ausstieg aus der Kern- und Kohlekraft in den kommenden Jahren der Strommarkt auf eine Knappheit zusteuert", sagte Berater Carlos Perez Linkenheil im Interview mit energate. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass auch in Nachbarländern gesicherte Kapazitäten zurückgingen, "dann ist klar, dass in Zukunft mehr steuerbare Kraftwerkskapazitäten benötigt werden", zeigte sich Perez Linkenheil überzeugt. In dem Zuge wäre es auch nicht überraschend, wenn die Diskussionen um Kapazitätsmärkte bald zurückkämen, ergänzte sein Kollege Fabian Huneke.
Finanzierung von Neuprojekten problematisch
Dass kurzfristig neue steuerbare Kapazitäten hinzukommen, ziehen die Berater in Zweifel. Konkrete Projekte seien nicht in Sicht, auch weil es den Akteuren an Planungssicherheit mangele. "Es ist aktuell keine leichte Zeit, um Investitionsentscheidungen zu treffen", so Perez Linkenheil. Gerade Gaskraftwerke hätten in der Vergangenheit eher das Ende der Merit-Order gebildet, "das macht die Finanzierung solcher Projekte am Strommarkt zum Problem". Zudem seien konventionelle Kraftwerke einem steigenden Wetterrisiko ausgesetzt, was die Kalkulation erschwere. Bezogen auf das Jahr 2021 hat die Unternehmensberatung exemplarisch eine witterungsbedingte Erlösspannbreite von 7 Euro/MWh für ein fossil betriebenes Kraftwerk ausgerechnet.
Dass klassische Energieversorger Geld für neue Kraftwerksprojekte in die Hand nehmen, halten die Berater absehbar für unwahrscheinlich. "Diejenigen Marktakteure, die sich in der Vergangenheit bereits die Finger verbrannt haben, werden es nicht noch mal machen - zumindest nicht unter den aktuellen Marktbedingungen", sagte Huneke. Er hält es aber für möglich, dass sich ein "Akteurswechsel" im Strommarkt anbahnt. "Wir hatten in der Vergangenheit ein paar Anfragen zu Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Gaskraftwerke, die von Akteuren aus dem Finanzmarkt stammten", gab der Berater ein Beispiel.
PPAs: Mehr Marketing als Notwendigkeit
Zurückhaltend gaben sich die Berater auf die Frage nach der künftigen Rolle von Stromdirektabnahmeverträgen für Wind- und Solarparks, sogenannte PPAs. "Solange es für Windparks eine wie auch immer gleitende Marktprämie gibt, besteht kein Bedarf für ein PPA", so Huneke. Auch das aktuelle Preisniveau spricht aus seiner Sicht dagegen, dass sich PPAs kurzfristig flächendeckend durchsetzen: "Wenn sich in den Ausschreibungen weiterhin 7 Cent/kWh verdienen lässt, schließt niemand ein PPA für 4 Cent ab." Hinter den zuletzt vermehrt aufgetretenen PPA-Deals wähnte Kollege Perez Linkenheil "viel Marketing". Auch für Post-EEG-Anlagen besteht aus Sicht der Berater keine zwingende Notwendigkeit, einen PPA abzuschließen. "Herkömmliche Vermarktungsstrategien am Terminmarkt tun es auch", gab Huneke zu bedenken. /rb
Das vollständige Interview mit den Energy-Brainpool-Strommarktexperten lesen Sie im heutigen Add-on Strom.