Berlin (energate) - Das Berliner Start-up Enpal macht seit ein paar Jahren mit seinem Leasing-Konzept für Solaranlagen für Privathaushalte auf sich aufmerksam. Im Gespräch mit energate erklärt Gründer und Geschäftsführer Mario Kohle, worauf es bei dem Angebot ankommt und was die nächsten Schritte sind.
energate: Herr Kohle, vor drei Jahren sind Sie mit Enpal mehr oder weniger als Branchenfremder in das Solargeschäft eingestiegen. Warum?
Mario Kohle: Absolut branchenfremd bin ich nicht. Unser erstes Unternehmen mit dem Mitgründer Robin Behlau hieß "käuferportal.de", bei dem es unter anderem um die Vermittlung von Solaranbietern an interessierte Kunden ging. Aber ein ausgewiesener Experte bin ich auch nicht, das stimmt schon. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass die Google-Gründer anfangs viel von Datentransformation verstanden haben oder der Amazon-Gründer vom Buchversandhandel. Ich denke, wenn es jemandem gelingen soll, eine Branche zu verändern und zu prägen, dann wohl einem Außenstehenden mit einem anderen Blickwinkel.
energate: Was haben Sie gesehen?
Kohle: Ich stellte fest, dass der Energiemarkt riesig ist, womöglich der größte der Welt. Dieser Markt dreht sich gerade von den fossilen Energieträgern weg, zu den Erneuerbaren hin. Mit Blick auf den Klimawandel war ich ziemlich schockiert darüber, wie wenig sich in dieser Hinsicht tut. Es ist ein Verbrechen, dass in Deutschland lediglich 70.000 Aufdachanlagen jährlich hinzukommen. Bei diesem Tempo dauert es mehr als 200 Jahre, bis jedes Dach in Deutschland eine Solaranlage hat. Dann kam uns die Idee des neuen Start-ups. Wir haben" käuferportal.de" verkauft und vor drei Jahren Enpal gegründet.
energate: Mit welchem Konzept?
Kohle: Zum einen sollte dieses Unternehmen rein auf die Erneuerbaren spezialisiert sein. Weitere Anforderungen an das Start-up im Jahr 2017 waren: einfach, digital und natürlich auch wirtschaftlich. Die These war und ist, dass Leute ihre Energie möglichst schnell, sicher, günstig und grün haben wollen. Strom ist kein emotionales Produkt, er soll nur günstig und zuverlässig fließen. Unsere Lösung war das Fotovoltaikprodukt für Prosumer. Die Kunden bekommen eine Aufdach-Fotovoltaikanlage und zahlen dafür und für eine Reststrommenge aus dem Netz eine monatliche Rate. Der Reststrom kommt noch von dem Versorger, unser Ziel ist es aber, bald auch einen Stromtarif anzubieten.
Die EEG-Vergütung trägt auch einen Teil zur Wirtschaftlichkeit der Anlagen bei. Der Vertrag hat eine Laufzeit von zwanzig Jahren und am Ende können die Kunden diese Anlage für einen symbolischen Euro erwerben. Diesen Vertrag kann der Kunde jederzeit auflösen indem er die Anlage für den Restbetrag kauft. Im Paket sind Beratung, Installation, Wartung und Garantie für die gesamte Laufzeit des Vertrags enthalten. Unter dem Strich bekommen die Verbraucher eine hochwertige Solaranlage, von der sie auch nach 20 Jahren etwas haben. Sie können außerdem etwas für die Umwelt tun und sparen noch Geld: im ersten Jahr unter Umständen, ab dem zweiten Jahr aber garantiert, da der Strompreis stetig wächst, die Enpal-Miete aber über 20 Jahre gleich bleibt.
energate: Das klingt nach einem klassischen Leasingvertrag.
Kohle: Ja, allerdings haben wir trotz dieser vermeintlichen Plausibilität kaum vergleichbare Produkte auf dem Energiemarkt vorgefunden. In vielerlei Hinsicht haben wir hier entsprechendes Neuland betreten. Wir haben beispielsweise gemerkt, dass auch die Banken bei der Finanzierung von Fotovoltaikanlagen nicht immer fit sind. Wir haben auf dem Markt auch kein geeignetes Planungstool für die Aufdachanlagen gefunden und haben ein selbstlernendes KI-gestütztes Berechnungstool programmiert - das hat viel Zeit in Anspruch genommen. Oft installieren wir die erste Anlage in einem Wohnviertel und machen dadurch auch die Nachbarschaft darauf aufmerksam. Für alles rund um die Installation und Wartung haben wir mit den refinanzierenden Banken ein Zehn-Punkte-Protokoll mit rund 100 Unterpunkten erstellt. Damit haben wir ein gutes Qualitätssicherungssystem mit strengen Kriterien an die Installateure sowie Modul- oder Komponentenanbieter erarbeitet. Dadurch kommen beispielsweise nur einige wenige Modulhersteller in Frage. Beispielsweise greifen wir auf die Module REC 320/325 zurück und die Wechselrichten der Firma ABB. Die Investoren wollen belastbare Zahlen sehen, daher wird die Wirtschaftlichkeit jeder Anlage genau und mehrfach überprüft. Ich denke, unsere Idee ist gut und geht auf. Trotz kleiner Rückschläge, die ein Start-up hin und wieder hinnehmen muss, sind wir auf einem guten Weg.
energate: Geht ihr Plan auch finanziell auf?
Kohle: Die Nachfrage übersteigt gerade unsere Kapazitäten, das ist ein gutes Zeichen. Insgesamt haben wir in den drei Jahren rund 2.000 Anlagen gebaut mit insgesamt rund 14 MW Leistung, die meisten davon im vergangenen Jahr. Es gibt aus meiner Sicht eine Reihe von Schritten, um schlank und günstig zu bleiben. Bei höherer Stückzahl sinkt der Einzelpreis beim Hersteller, was uns natürlich entgegenkommt. Unser Marketing läuft ausschließlich online, auch das spart Kosten. Mit den Handwerksbetrieben haben wir langfristige, teils exklusive Verträge - das lohnt sich ebenfalls dauerhaft. Wir vermieten und vermitteln alle Anlagen ausschließlich über Videokonferenzen. Denn die Außendiensteinsätze sind sehr zeitintensiv, teuer und belasten die Umwelt durch die vielen Fahrten. Für die Installation vor Ort sind dann regionale Handwerksbetriebe zuständig, die, wie ich schon sagte, strengen Qualitätskriterien unterliegen.
energate: Wie nehmen Sie den Energiemarkt wahr? Sind Kooperationen geplant?
Kohle: Mit dem Wettbewerb und den klassischen Versorgern haben wir uns bislang nicht auseinandergesetzt. Wir haben es der Branche auch schwer gemacht, uns wahrzunehmen, weil wir keine Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben. Damit starten wir erst jetzt. Das liegt daran, weil wir uns vor allem gefragt haben, wie die Energiebranche funktionieren sollte und nicht, wie sie derzeit funktioniert. Die anderen Marktteilnehmer sehen wir nicht als Konkurrenten - dafür ist der Solarmarkt in Deutschland zu überschaubar. Bald werden Millionen von Haushalten dezentral Energie erzeugen. Derzeit hat etwa eine Million der Haushalte von insgesamt 15,8 Mio. eine Aufdachanlage. Sie sehen also das Potenzial. Zudem ist die dezentrale Energieerzeugung sehr datenintensiv und viel smarter als zuvor. Wir wollen ein Teil davon sein und auch beim Datenmanagement mitmischen.
energate: Wie geht es mit Enpal weiter?
Kohle: Die Träume sind bekanntlich ambitionierter als die operativen Ziele. Unser Traum ist, einer der größten Komplettanbieter von Energielösungen in Europa zu werden. Bei den konkreten Zielen setzen wir einen Schritt nach dem anderen. Das Mietangebot für Batteriespeicher soll schon in diesem Jahr kommen. Das wäre der nächste Schritt auf dem Weg zum Komplettanbieter. Mittelfristig soll ein eigener Enpal-Stromtarif für den Reststrom folgen. Auch ein Wärmetarif ist in Planung. In Kombination mit dem Batteriespeicher wird auch ein E-Mobilitätstarif folgen. In ein paar Jahren wollen wir alles aus einer Hand anbieten. Momentan sind wir bei Ausbaustufe drei von sieben, denke ich. Mit der hohen Anzahl von Solaranlagen spricht auch nichts dagegen, diese zu virtuellen Kraftwerken zu bündeln. Derzeit haben wir knapp 200 motivierte Mitarbeiter und ich bin zuversichtlich, dass wir wachsen werden - die Größe des Marktpotenzials gibt es auf jeden Fall her.
Die Fragen stellte Artjom Maksimenko, energate-Redaktion Essen.