Berlin (energate) - Die energieintensive Industrie drängt auf flexiblere Fristen für das Beantragen von Ausnahmeregelungen bei den Energiekosten. Hintergrund ist, dass die dafür häufig notwendigen Vor-Ort-Termine aufgrund der Coronakrise nicht mehr möglich seien, heißt in Schreiben des Zusammenschlusses der Energieintensiven Industrien (EID) und des Verbandes der Industriellen Kraftwirtschaft (VIK), die energate vorliegen. Sie sind an das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium gerichtet.
Energieintensive Industriebetriebe profitieren von verschiedenen Ausnahmen bei den Kosten für den Emissionshandel, das EEG, aber auch bei den Netzentgelten. Die millionenschweren Vergünstigen sollen Nachteile gegenüber Konkurrenten aus dem Ausland aufwiegen. Die Gewährung hängt aber davon ab, dass Angaben, etwa zum Energieverbrauch, vor Ort geprüft und zum Teil von dritter Seite bestätigt werden.
Erste Behörden reagieren bereits
Die Deutsche Emissionshandelsstelle hat bereits reagiert. Auf der Webseite heißt es, sollten Fristen in Folge der derzeitigen außergewöhnlichen Situation im Einzelfall nachweislich nicht eingehalten werden, werde dies im weiteren Vollzug des Europäischen Emissionshandels oder der Strompreiskompensation berücksichtigt. Auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) und die Bundesnetzagentur haben angekündigt, Fristprobleme bei Anträgen etwa zur Besonderen Ausgleichsregelung und der Marktkommunikation in der aktuellen Situation mit Kulanz zu bewerten (
energate berichtete).
Ausnahmen kein Freibrief
Aus der Branche kommt Zustimmung für die Zusage der Behörden, im Zweifelsfall Kulanz walten zu lassen. "Das Bafa reagiert umsichtig auf die Coronasituation, indem es Ausnahmen bei den fristrelevanten Unterlagen zulässt", sagte etwa Dennis Becher, Vorstandsvorsitzender der Energieberatung Enplify zu energate. Dies sei aber nicht als Freibrief zu verstehen. Bei der Besonderen Ausgleichsregelung sollten die Antragsteller alles daransetzen, die Unterlagen bis zum 30. Juni einzureichen, auch wenn diese unvollständig seien. "Wenn es Corona-bedingt zu Verzögerungen beim Prüfungsvermerk des Wirtschaftsprüfers oder bei der Einreichung von Energiemanagement-Zertifikaten kommt, dann wird das Bafa den Unternehmen daraus keinen Strick drehen", vermutet Becher.
Fristen anpassen
EID und VIK fordern, auch bei weiteren "Fristigkeiten angepasste Bewertungsmaßstäbe anzuwenden oder Ausnahmen zu ermöglichen". Sie führen verschiedene Beispiele auf, etwa den bei bestimmten Unternehmen am 31. März fälligen Emissionshandelsbericht oder die Abgabe von Emissionsberechtigungen (30. April). "Aber auch die Strompreiskompensation, mit ihrer Beantragungsfrist Ende Mai sehen wir als gefährdet an", heißt es in dem Schreiben.
Betroffen sind zudem laut VIK und EID die Mitteilungspflichten für geförderte KWK-Anlagen oder die Meldung zu selbstverbrauchten Strommengen. Die Übergangsfrist für die "mess- und eichrechtskonformen Abgrenzung von Strommengen" sei wegen zunehmender Lieferschwierigkeiten und eingeschränkter Begehbarkeit von Betriebsgeländen "realistischerweise" nicht einzuhalten. Die Frist läuft bis Jahresende 2020. Notwendig sei daher eine Gesetzesänderung mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf. /kw