Berlin/Paderborn (energate) - Als Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen Ende der 1990er Jahre die Initiative zu einem Fördergesetz für erneuerbare Energien ergriffen, konnten sie kaum erahnen, welche globale Erfolgsgeschichte sie damit auslösen. Johannes Lackmann, heute Geschäftsführer der Westfalenwind GmbH und im Jahr 2000 - zum Start des EEG - Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), blickt im Gastbeitrag für energate zurück und benennt auch Fehler des EEG. In der Vorausschau ist für ihn eine Zeit ohne EEG nicht mehr fern.
Ein Gastbeitrag von Johannes Lackmann, BEE-Präsident im Jahr 2000
Das EEG ist in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswertes Gesetz. Zuerst: Das Gesetz war ein Sieg des Parlaments über das konservativ verkrustete Bundeswirtschaftsministerium. Als die vier Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell, Michaele Hustedt, Hermann Scheer und Dietmar Schütz merkten, dass das Wirtschaftsministerium die Sache zu hintertreiben suchte, haben diese das rot-grüne Projekt selbst in die Hand genommen. Das EEG wurde in den Abgeordnetenbüros geschrieben, nicht im Ministerium. Kaum zu verstehen, warum Parlamentarier heute nicht öfter ihre Aufgabe als Gesetzgeber selbst in die Hand nehmen, statt sich von Ministerialbürokratie gängeln zu lassen.
EEG: Globale Technologieentwicklung in epochaler Dimension
Seit Albert Einstein den Nobelpreis für die Entdeckung des fotoelektrischen Effekts bekommen hatte, ist jahrzehntelang erst gar nichts passiert, dann war es ein Nischenthema in Laboren und in der Raumfahrt, wo Kosten keine Rolle spielten. Das EEG hat diese Technologie aus der Grundlagenforschung in die Industrie gebracht, indem ein künstlicher Markt geschaffen wurde mit zunächst 99 Pfennig Vergütung für eine Kilowattstunde Solarstrom.
Heute sind Solar- und Windenergie an guten Standorten weltweit die kostengünstigsten Stromerzeugungsquellen überhaupt. Diese dezentral verfügbaren Energiequellen haben für die Entwicklung in netzfernen Regionen der Welt einen größeren Stellenwert als viele Milliarden Entwicklungshilfe. Windenergie wurde von den Phöniziern schon vor mehr als 2.000 Jahren genutzt. Eine relevante Entwicklung hin zu einem industriellen Serienprodukt setzte erst ein, nachdem die ersten Einspeisegesetze in Dänemark und dann in Deutschland mit einer festen Vergütung (EEG 18 Pf/kWh) einen gesicherten Markt geschaffen hatten.
Was sind die Erfolgsbedingungen des EEG und was können wir daraus lernen?
Grundlagenforschung ist notwendig, schafft aber nicht unmittelbar industrielle Serienlösungen. Ab einem gewissen Entwicklungsstand ist die Schaffung gesicherter und zeitlich begrenzter künstlicher Märkte effizienter als weitere Forschungsförderung. Technologieoffenheit bedeutet nicht, alles sofort über einen Kamm zu scheren. Es ist sinnvoll, aussichtsreiche Technologien zunächst auf ihrem jeweiligen Kostenniveau in einen künstlichen Markt hinein abzuholen und dann die Vergütungen entsprechend der Entwicklung degressiv nachzusteuern.
1999 waren fast alle der Meinung, Windenergie vom Meer sei die kostengünstigste Quelle und Fotovoltaik werde auch auf längere Sicht eine eher teure Quelle bleiben. Das technologieoffene Abholen der verschiedenen Erzeugungstechnologien war eine mutige politische Entscheidung, die einen unerwarteten Wettlauf auslöste. Verlässliche Rahmenbedingungen sind elementare Voraussetzung dafür, dass sich neue Marktakteure entwickeln können, die bereit sind, mit den etablierten alten Akteuren in Konkurrenz zu treten. Gesicherter Netzzugang, feste Vergütung für 20 Jahre Betriebszeit waren hier genau richtig und haben es ermöglicht, die neuen Projekte überhaupt finanziert zu bekommen.
Die Beherrschbarkeit eingeführter Gesetze ist ein wichtiges Kriterium
Da man die Kostenentwicklung der Einzeltechnologien nicht abschätzen konnte, wurde die feste prozentuale Degression mit einer turnusmäßigen Überprüfung durch das Parlament verbunden. Diese Überprüfungen wurden mehrfach von einem irrationalen Lobbyismus begleitet, der beispielsweise dazu geführt hat, dass die Fotovoltaik nach einigen Jahren völlig überfördert war. Das hat nicht nur für die Verbraucher zu viel Geld gekostet, sondern die Solarbranche hat sich mit ihrem Lobbyerfolg selbst ins Abseits manövriert. Besser als regelmäßige Nachjustierung durch die Politik unter beidseitigem Lobbydruck ist ein atmender Anpassungsmechanismus, der auch für die Windenergie sinnvoll wäre und Planungssicherheit bietet. Das ständige Herumbasteln hat aus dem EEG inzwischen ein Bürokratiemonster gemacht.
Die Umstellung der degressiven Festvergütung für Windenergie auf Ausschreibungen war als Konzession an die Wirtschaftsliberalen ein schwerer Fehler: Statt die Preise zu senken, sind die Vergütungen für Windstrom wegen des knappen Angebots gestiegen und machen das EEG für die Verbraucher unnötig teuer.
Zukunft: Weitere 20 Jahre EEG?
Nein - Erfolg ist kein Grund für Nostalgie. Das EEG hat seinen Zweck bestens erfüllt. Wir brauchen einen geordneten Übergang zu einer Energiemarktordnung auf Basis eines relevanten CO2-Preises wie etwa in Schweden und die Befreiung von einigen Tausend bürokratischen Zwangsjacken.