Wien (energate) - Die Auswirkungen der Coronakrise schlagen bereits voll auf die Preise im Großhandel mit Öl, Gas, Strom und Zertifikaten durch. Die Österreichische Energieagentur erwartet weitere Rückgänge bei Öl, Gas und Strom. Bei Zertifikaten sei die weitere Entwicklung derzeit sehr schwer prognostizierbar, sagt Karina Knaus, Leiterin des Center für Volkswirtschaft in der Energieagentur. Insgesamt dürfte die Konjunkturentwicklung der nächsten Monate der entscheidende Treiber der Nachfrage in Österreich sein. Doch hier haben zuletzt die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS sowie die Oesterreichische Nationalbank durchaus unterschiedliche Zahlen vorgelegt.
Das derzeitige Geschehen am Ölmarkt prägt weitaus stärker als die Coronakrise der "Preiskrieg" zwischen Saudi-Arabien und Russland (
energate berichtete). Jüngst hat sich der Preis der Sorte Brent zwar wieder etwas stabilisiert und notierte in London bei 25,09 Dollar je Barrel, gestützt unter anderem von einer aufhellenden Stimmung der Industrie in China. Trotzdem verweist die Österreichische Energieagentur auf Prognosen der IEA, wonach der weltweite Ölbedarf heuer zum ersten Mal seit 2009 fallen könnte. Allerdings geht die IEA auch davon aus, dass sich die Situation in China im zweiten Quartal wieder normalisieren wird.
Ölmarkt: Verbraucher merken "Preiskrieg"
Betrachtet man gleichzeitig den Einbruch auf der Nachfrageseite, gebe es Prognosen, wonach der Preis auf 10 Dollar je Fass fallen könnte, so Chefvolkswirtin Karina Knaus. Das wäre ein niedrigerer Stand als während der Finanzkrise 2009. Sie verweist aber auf einen Unterschied zu damals: Der Einbruch startete damals auf einem Niveau von 140 Dollar, während der Preisverfall heuer wegen der Konjunkturflaute noch vor der Coronakrise schon bei 65 Dollar eingesetzt hat. "Insofern ist das Delta diesmal nicht so extrem", so Knaus. Endverbraucher würden das an den sinkenden Spritpreisen merken, ebenso wie am billiger gewordenen Heizöl.
Preisverfall bei Erdgas dürfte weitergehen
Bei Erdgas erwartet die Energieagentur, dass sich der Preisverfall der vergangenen Wochen fortsetzen wird. "Wir haben beim Gas Preise teilweise unter 10 Euro je MWh. Das sind die niedrigsten Preise seit 2003 und im Vergleich zum vergangenen Herbst fast eine Halbierung", betonte Knaus im aktuellen
Podcast der Energieagentur. Hier werde sich der Nachfrageeinbruch der Industrie weiter auswirken. Hinzu komme, dass der Gasmarkt immer etwas später reagiere und die Gasspeicher jetzt, am Ende der Heizsaison, mit über 50 Prozent gut gefüllt seien.
Strom: Zunehmender Gleichklang zwischen Österreich und Deutschland
Bei Strom seien ebenfalls sowohl im Kurzfristhandel als auch im Terminmarkt deutliche Rückgänge zu verzeichnen. "Im Spotmarkt sind die Daten nicht so dramatisch, weil es hier immer wieder Ausreißer gibt. Wir konnten aber im März beobachten, dass sich die Preisdifferenzen zwischen Deutschland und Österreich im Bereich Day Ahead aufgelöst haben", so Knaus weiter. Hier gab es noch im Februar Preisdifferenzen von durchschnittlich 7 Euro/MWh, im März dagegen waren es kaum mehr als 2 Euro/MWh. "Das heißt, in den letzten Wochen waren Deutschland und Österreich relativ im Gleichklang", so die Volkswirtin.
Im Terminmarkt sei die Tendenz vieler Akteure zu beobachten, Strommengen wieder loszuwerden. "Hier gibt es offenbar die Annahme, dass die jetzige Situation zumindest einige Wochen anhalten wird. Viele Gesellschaften im Vertrieb sind auch möglicherweise überdeckt und wollen verkaufen." Das schlägt auf die Front-Kontrakte durch. Der Handel verzeichnete Rückgänge von 30 Prozent und mehr. "Auf das Jahr 2021 ist der Effekt nicht so groß, aber ebenfalls bei ungefähr zehn Prozent", führte Knaus aus.
Konjunktur: Düstere, aber ungewisse Prognosen
Der entscheidende Faktor der Nachfrage wird die Dauer der Beschränkungen wegen des Coronavirus sein. Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS haben Szenarien vorgestellt, wonach auf einen starken Einbruch ab dem zweiten Halbjahr eine kräftige Erholung folgen könnte. Der Rückgang des BIP würde in diesem Fall 2,0 bis 2,5 Prozent betragen. Wifo-Chef Christoph Badelt betonte jedoch, dass "seriöse Prognosen" derzeit kaum möglich seien. IHS-Chef Martin Kocher richtete einen dringenden Appell an die Politik: Ein Stillhalten der österreichischen Wirtschaft über Ende April hinaus hätte verheerende Folgen, ein Rückgang des BIP um fünf Prozent wäre die Folge. Die Oesterreichische Nationalbank zeichnete eine noch düstere Prognose. Selbst bei einem "moderaten Szenario" sei mit einem wirtschaftlichen Rückgang von 3,2 Prozent zu rechnen, sowie mit einem Defizit von 5,4 Prozent im Staatshaushalt. Falls die Wirtschaft deutlich später hochgefahren werde als Mitte April, würde das Minus weitaus höher ausfallen.
/Peter Martens