Wien (energate) - Michael Strugl wird ab Anfang Jänner 2021 neuer Vorstandschef des Energieversorgers Verbund. Er löst Wolfgang Anzengruber ab, der dieses Amt seit 2009 inne hatte und Ende des Jahres in Pension geht. Offiziell wollte gegenüber energate weder Verbund noch die ÖBAG als Mehrheitseigner einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats bestätigen. Bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, die im Namen der Republik 51 Prozent am größten österreichischen Versorger hält, heißt es dazu jedoch: "Eine diesbezügliche Kommunikation erfolgt im Zuge der Hauptversammlung." Die ursprünglich für den 28. April anberaumte Hauptversammlung wurde wegen der Coronakrise verschoben und soll nun am 16. Juni stattfinden. Zuerst hatte die "Presse" und dann die "Oberösterreichischen Nachrichten" über die Personalie berichtet.
Wolfgang Anzengruber: Modernisierung und Neuaufstellung
Der studierte Maschinenbauer und Betriebswirt Wolfgang Anzengruber, Jahrgang 1956, wechselte 2009 vom Chefposten des Salzburger Kranherstellers Palfinger zum Verbund. In seine Amtszeit fällt eine umfassende Modernisierung und Digitalisierung des Konzerns sowie der starke Ausbau der Erneuerbaren im Zuge der nach der Katastrophe von Fukushima verstärkten Energiewende. Gleichzeitig hat Verbund mehrere Beteiligungen im Ausland abgestoßen, etwa in Italien, Frankreich und der Türkei, und sich auf die Kernmärkte in Österreich und Deutschland konzentriert.
2013 hat das Unternehmen Anteile in der Türkei an den deutschen Energieriesen Eon abgegeben und dafür Beteiligungen an Wasserkraftwerken in Bayern bekommen. Ende des Vorjahres hatte Verbund erfolglos versucht, im Rennen um milliardenschwere Beteiligungen an Wasserkraftwerken in Portugal mitzubieten. Aktuell verhandelt das Unternehmen mit dem österreichischen Mineralölmulti OMV um die Übernahme eines 51-prozentigen Anteils am Gasnetzbetreiber Gas Connect Austria (
energate berichtete).
Michael Strugl: Direkt von der Landespolitik zum Verbund
Michael Strugl, Jahrgang 1963, stammt wie Wolfgang Anzengruber aus Steyr in Oberösterreich. Er studierte Jus und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Linz und absolvierte mehrere postgraduale Studiengänge in den USA und Kanada. Seinen beruflichen Werdegang prägten Stationen in der Politik: seit 1997 als Mitglied des Bundesrates für die ÖVP, später des oberösterreichischen Landtags und seit 2013 als Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung, wo Strugl als Referent für Wirtschaft und Energie tätig war. 2017 wurde Strugl Landeshauptmann-Stellvertreter.
Zuletzt war er in Linz auch Aufsichtsratschef des Versorgers Energie AG und hat Medienberichten zufolge in dieser Funktion eine Abkehr vom strikten Kurs einer Energiewende seines Vorgängers Rudolf Anschober (Grüne) eingeleitet. Anschober ist heute österreichischer Gesundheitsminister.
Zahl der Endkunden zuletzt auf 500.000 gestiegen
Im Jänner 2019 gelang dem damaligen Landespolitiker Strugl der Wechsel in den Vorstand des teilstaatlichen Energiekonzerns Verbund, wo er heute stellvertretender Vorsitzender ist und die Bereiche Vertrieb, Handel, Personal und Marketing verantwortet. Die damalige Entscheidung des Aufsichtsrats war in der Öffentlichkeit alles andere als unumstritten: Strugl komme direkt aus der Politik und habe keinerlei Managementerfahrung in der Wirtschaft, kommentierte etwa im Vorjahr die "Presse". Befürworter halten dem Manager zugute, dass seit seinem Amtsantritt die Zahl der Endkunden beim Verbund auf über 500.000 gestiegen ist und sich das Ergebnis im Vertrieb verdoppelt hat.
/Peter Martens