Wien (energate) - Die am 22. April bekannt gewordenen Verhandlungsergebnisse zwischen Bund und Ländern zum Klimaschutzgesetz sind auf breite und teils heftige Kritik gestoßen. Ohne Änderungen werde Österreich seine Klimaziele deutlich verfehlen und müsse auf europäischer Ebene Milliardenzahlungen leisten, heißt es bei der Opposition und den Umweltschutzgruppen WWF, Global 2000 und Greenpeace. "Dieses Verhandlungsergebnis ist ein Desaster", meinte etwa WWF-Klimaexperte Karl Schellmann gegenüber energate. Auch Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, warnte die Politik, angesichts der Coronakrise die Umgestaltung der Wirtschaft und der Energiesysteme zu vernachlässigen: "Das Klimaproblem ist auch aus ökonomischer Sicht ein sehr großes", so Badelt am Rande einer Pressekonferenz in Wien. Alle staatlichen Investitionen sollten künftig auch unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes getätigt werden.
Klimaschutzgesetz sieht verpflichtende Maßnahmen vor
Das Papier, das energate vorliegt, trägt den Titel "Maßnahmentabelle des Bundes und der Länder für die Jahre 2019 und 2020" und ist Ergebnis von jahrelangen Entscheidungsprozessen. Basis dafür ist das geltende Klimaschutzgesetz, in dem sich Österreich auf EU-Ebene zur Senkung von Treibhausgasen außerhalb des Emissionshandelssystems verpflichtet. Darin werden Ziele für insgesamt sechs Sektoren außerhalb des Emissionshandels festgelegt.
Im Jahr 2017 hat die Republik diese Ziele erstmals um 2,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent verfehlt. Für diesen Fall sieht das Gesetz "umgehend" weitere Verhandlungen vor, wobei Bundesländer einzubinden seien. Daher hat das damalige Nachhaltigkeitsministerium das Umweltbundesamt mit einer Evaluierung beauftragt, dessen Ergebnisse im Oktober 2019 dem Nationalrat vorgelegt wurden. Erst danach starteten offenbar die Gespräche über mögliche Schritte. "Die Maßnahmentabelle ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern", heißt es in dem jetzt veröffentlichten Papier.
Kritik auch am Finanzministerium und den Bundesländern
Die amtierende Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat die Ergebnisse daher gewissermaßen großteils von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung sowie der danach eingesetzten sogenannten Expertenregierung geerbt. Trotzdem reiht sich auch die Umweltschutzorganisation Global 2000, deren Geschäftsführende Gewessler bis zu ihrem Wechsel in die Regierung gewesen ist, unter die Kritiker ein. Dies sei ein "Tiefpunkt der vergangenen Klimaschutzpolitik", sagt Energieexperte Johannes Wahlmüller im Gespräch mit energate. Er betont allerdings, dass vor allem beim Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und bei den Bundesländern keine Bereitschaft zu erkennen sei, wirklich klimawirksame Entscheidungen zu treffen. Auch WWF-Experte Schellmann übt im Gespräch mit energate harte Kritik in diese Richtung: "Zentrale Mitspieler wie die Bundesländer und das Finanzministerium kommen ihrer Verantwortung nicht nach." Das Papier bestehe "in erster Linie aus längst bekannten Initiativen und vagen Strategien."
"Maßnahmen bilden nur den Status quo ab"
Tatsächlich zählt die Vorlage etwa das bekannte Plastiksackerlverbot, ein geplantes Verbot von Ölheizungen, die Befreiung von der Eigenstromsteuer für Photovoltaikanlagen oder höhere Förderungen für die "Rollende Landstraße" auf. Bei den meisten Punkten werden die zu erwartenden Einsparungen gar nicht genannt. "Da nur wenige der Maßnahmen quantifiziert wurden, kann auf Basis der vorliegenden Informationen keine konkrete Einschätzung zur Zielerreichung bis 2020 getroffen werden", heißt es in dem Papier wörtlich. Allerdings wird in der Novelle auch betont: "Die Maßnahmen bilden damit den Status quo vor Aufnahme der Arbeit der Bundesregierung im Jänner 2020 ab. Sie erfüllen noch nicht im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 geplante zusätzliche Maßnahmen."
Was nun zu erwarten ist
Wie geht es nun weiter? Zum einen deutet das Papier selbst an, dass dies nicht die letzte Entscheidung der amtierenden Regierung zum Klimaschutzgesetz sei. So heißt es darin, die Erfahrungen bei den jüngsten Verhandlungen würden "in den Vorschlag der Bundesregierung für ein zukünftiges Klimaschutzgesetz einfließen." Zum anderen ist im Rahmen der Coronamaßnahmen gerade auch ein konjunkturelles Programm für den Bereich Klimaschutz in Ausarbeitung (
energate berichtete). Und schließlich wartet gerade die österreichische Energiebranche auf das von Ministerin Gewessler noch für heuer angekündigte neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (
energate berichtete).
/Peter Martens