Berlin (energate) - Aus Sicht des Industrieverbandes VIK kann eine steigende EEG-Umlage zu einem Hemmnis für die Konjunktur werden. "Die aktuelle Nachfrage und Preisentwicklung beim Strom lassen für 2021 eine deutliche Anhebung der EEG-Umlage erwarten, was für einen schnellen Aufschwung kontraproduktiv wirkt", sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jürgen Witschke im Interview mit energate. Aktuell befinden sich ihm zufolge viele Industriebetriebe in einem Krisenmodus. "Komplette Wertschöpfungsketten und Absatzmärkte sind weggebrochen. Das ist existentiell", betonte Witschke, der seit März die Geschäfte des Verbandes der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) führt.
Viele Produktionsanlagen sind wegen der sinkenden Nachfrage heruntergefahren. Beim Energieverbrauch macht sich dies bereits bemerkbar. Nach den Zahlen des BDEW ging er im März um rund sieben Prozent zurück. Zwar haben nun einige Autobauer ihre Produktion wieder angefahren, "an eine Trendwende beim Stromverbrauch glaube ich aber nicht", betonte Witschke. Die Bundesregierung habe ja zu Recht erstmal nur sehr vorsichtige Lockerungen beschlossen.
Kein Hochfahren von heute auf morgen
Aktuell habe der Gesundheitsschutz absolute Priorität. Nach Ausbruch der Pandemie hätten alle Industrieunternehmen umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, so der VIK-Hauptgeschäftsführer. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf sensiblen Bereichen wie der Energieversorgung. "Wenn dort Infektionen festgestellt werden und Mitarbeiter in Quarantäne müssen, führt dies möglicherweise zu einem vollständigen Produktionsstillstand", so Witschke. Das Hochfahren von Anlagen werde nach dem Ende des Lockdown in jedem Fall eine Zeit in Anspruch nehmen. "Man kann nicht einfach auf einen Knopf drücken. Das sind komplexe Prozesse", betonte Witschke.
Unternehmen bangen um Meldefristen
Eigentlich stehen im ersten Halbjahr wichtige Meldefristen an, etwa für die lukrativen EEG-Ausnahmeregeln für energieintensive Unternehmen. Für die Nachweise sind häufig Vor Ort-Termine notwendig, die in der aktuellen Lage nicht möglich sind (
energate berichtete). "Es gibt es eine Vielzahl von Fristen, die durch die Pandemie nicht mehr eingehalten werden", sagte der VIK-Hauptgeschäftsführer. Mit den Behörden geben es dazu einen guten Austausch. Der Wille, pragmatische Lösungen zu finden, sei groß. Nicht so leicht sei es, eine Lösung für gesetzlich fixierte Vorgaben zu finden, die auch eine Behörde nicht einfach umgehen könne. Das gelte etwa für den EU-Emissionshandel. Die deutsche Emissionshandelsstelle sei hier aber auch sehr bemüht, so Witschke.
In den kommenden Wochen wird aus Sicht des VIK das Augenmerk weiterhin voll auf dem Gesundheitsschutz liegen. Wenn die Krise überwunden sei, müsse dann darüber gesprochen werden, mit welchen Maßnahmen der Aufschwung beschleunigt werden kann. Es gehe auch darum, grundsätzlich zu überlegen, "ob die Prioritäten, die wir vor der Krise gesetzt haben, nachher noch die richtigen sind", so Witschke.
VIK für Verschiebung des Brennstoffemissionshandels
Kritisch sieht der Verband nach wie vor die für 2021 geplante CO2-Bepreisung von fossilen Brennstoffen. Der VIK verweist hier auf weitere offene Fragen. Etwa wie Doppelbelastungen für Unternehmen vermieden werden, die Teil des EU-Emissionshandels sind. "Hierzu bedarf es klarstellender Verordnungen seitens der Bundesregierung", sagte Witschke. Die Zeit dafür sei schon vor der Coronakrise knapp gewesen, nun sei das Vorhaben noch ehrgeiziger. "Vor diesem Hintergrund wäre es sicherlich überlegenswert, den Start des Emissionshandels zu verschieben", so Witschke. Das Bundesumweltministerium hatte kürzlich auf energate-Nachfrage angekündigt die ersten von insgesamt über 20 vorgesehenen Rechtsverordnungen bis zur Sommerpause auf den Weg zu bringen (
energate berichtete). /kw
Das ganze Interview mit Hans-Jürgen Witschke lesen Sie hier.