Wien (energate) - Österreichs System der Ökostromförderung sei wirksam und erfülle seine Ziele, so eine neue Analyse des Rechnungshofs (RH). Gleichzeitig sei dessen Verwaltung in weiten Teilen zu teuer, zu intransparent und zu ineffizient. Das treibe die Kosten für Haushalte, die Wirtschaft ebenso wie für Stromnetzbetreiber in die Höhe. Wegen eines ungenauen Einsatzes von Fördergeldern habe man in den letzten Jahren bei Windkraft und Photovoltaik auf den Ausbau von insgesamt 60 MW an Kapazitäten verzichtet, schreiben die Autoren im Bericht "Ökostromförderung am Beispiel Windkraft und Photovoltaik".
Diese Kritik sei in Teilen durchaus berechtigt, heißt es dazu von den heimischen Interessenverbänden Photovoltaik Austria und IG Windkraft - allerdings habe es zuletzt durchaus Fortschritte gegeben, und darüber hinaus sei das Papier ein weiterer Beleg dafür, dass das System reformiert werden müsse.
RH: Zuständiges Ministerium hat kaum kontrolliert
Der Rechnungshof hat sich bei der Analyse den Zeitraum zwischen 2013 und 2017 angeschaut, als das Energiewesen noch Teil des Wirtschaftsministeriums war. Auf der Ebene der Verwaltung kommen in dem Papier weder das Ministerium noch die OeMAG als die zentrale Abwicklungsstelle für Ökostrom gut weg. So konstatiert der Rechnungshof, dass in diesen Jahren für die Erzeugung und Einspeisung von Ökostrom Vergütungen von rund 4,67 Mrd. Euro ausbezahlt worden sind, der Löwenanteil davon durch Abgaben, die Haushalte, das Gewerbe und die Industrie zu entrichten hatten. Dabei haben die Höhe der Einspeisetarife Gutachter festgelegt - und das Ministerium habe über zehn Jahre hinweg weder eine Rotation dieser Gutachter vorgenommen noch deren Berechnungen überprüft, so der Rechnungshof: "Bei der Festlegung der Einspeisetarife orientierte sich das Ministerium nicht konsequent an der gesetzlich festgeschriebenen Effizienz des Fördermitteleinsatzes."
OeMAG: "Teuer und intransparent"
Auch in der Arbeit der OeMAG registrieren die Prüfer erhebliche Mängel, die seit 2006 eine unbefristete Konzession hält und jährlich mit Milliardenumsätzen arbeitet. Wörtlich heißt es in dem Papier: "Die Interessen der OeMAG standen nicht immer im Einklang mit dem öffentlichen Interesse." Auch die gegenseitige Kontrolle zwischen Aufsichtsrat und Vorstand sei dort kaum gegeben: "Aufsichtsratsmitglieder erstellten Berichte über die Jahresabschlüsse an die Hauptversammlung, die sie als Vertreter der Anteilseigner genehmigten, erteilten sich selbst und dem Vorstand, den sie als Aufsichtsrat zu überwachen hatten, die Entlastung und wählten sich selbst wieder in den Aufsichtsrat. Weder der Bund noch die Endverbraucher als Zahler waren im Aufsichtsrat vertreten." Das Ministerium wiederum habe weder die hohen Personalkosten noch die Aufwendungen für Ausgleichsenergie überprüft.
Kosten für Netzbetreiber und Verbraucher steigen
Auf systemischer Ebene kritisieren die Prüfer ein "Auseinanderfallen von Ökostromausbau und Systemverantwortung der Ökostromerzeuger" - der Ausbau der Erneuerbaren sei viel schneller passiert als der notwendige Ausbau der Netze, was Netzengpässe und hohe Kosten für Netzbetreiber verursache. So seien die Aufwendungen für Ausgleichsenergie "von rund 29 Mio. Euro im Jahr 2012 um nahezu 200 Prozent auf rund 85 Mio. Euro im Jahr 2015" gestiegen, allerdings in den Folgejahren wieder stark gesunken. Privilegien der Ökostromerzeuger bei Netzanschluss, Netzzugang und Einspeisevorrang hätten "ein von Marktmechanismen weitgehend entkoppeltes System" geschaffen, konstatiert der Rechnungshof.
Photovoltaik: Weniger wäre mehr
Bei den konkret überprüften beiden Erzeugungsarten PV und Windkraft hätte man beim Zubau mit weniger Geld deutlich höhere Kapazitäten erreichen können, so die Autoren weiter. Demnach hat das Wirtschaftsministerium für Photovoltaik in den Jahren zwischen 2013 und 2015 trotz mehrfacher Überzeichnung der verfügbaren Fördergelder höhere Einspeisetarife verordnet als von den Gutachtern angegeben. Das heißt: Mit niedrigeren Tarifen wäre die Förderung von deutlich mehr Projekten möglich. Im genannten Zeitraum habe man so "auf den Ausbau von 33 MW an Photovoltaikleistung verzichtet."
PV Austria: "Kritik nicht nachvollziehbar"
Beim Fachverband PV Austria will man das nicht gelten lassen. Die Kritik an den zu hohen Einspeisetarifen sei nicht nachvollziehbar, "zumal die Kostenannahmen sehr abstrakt und auch nur einen Teil der tatsächlichen Kosten abdecken. Aber nicht zuletzt gerade wegen der Einspeisetarife hat der Zubau überhaupt stattgefunden", so Geschäftsführerin Vera Immitzer gegenüber energate. Sie gibt aber zu: "Anpassungen im Fördersystem sind dringend notwendig. Der Bericht bestätigt das auch deutlich im Hinblick auf den drastisch gesunkenen Überzeichnungsfaktor, also das Verhältnis von Anträgen und verfügbarem Förderbudget. Er ist ein Indiz dafür, dass die PV-Projekte weniger werden."
Windkraft: "Einspeisetarife nur zum Teil gesenkt"
Auch zum Ausbau der Windkraft stellt der Rechnungshof fest, dass hier "trotz der erheblichen Wartelisten die Möglichkeit einer stärkeren Senkung der Einspeisetarife nur zum Teil" genutzt worden seien. Unter dem Strich wurde zwischen 2013 und 2015 auf ein "Ausbaupotenzial von 27 MW verzichtet." Dazu betont Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, dass "Kritikpunkte am Ökostromgesetz bezüglich fehlender Marktintegration und systemdienlichen Verhaltens berechtigt sind. Hier gab es in der Praxis jedoch bereits große Fortschritte in den letzten Jahren." In Zukunft sollen Direktvermarktung und Systemverantwortung im Zentrum der neuen Ökostromförderung stehen - wobei die IG Windkraft für eine "gleitende Marktprämie" als Fördermodell plädiert. Was die verpasste Zubaumenge von 27 MW angeht, so bemerkt Moidl: "Diese Kapazität entspricht lediglich 1,8 Prozent der errichteten Windkraftleistung in diesen Jahren."
Alle Seiten begrüßen Arbeit am neuen EAG
Sowohl Vera Immitzer von PV Austria als auch Stefan Moidl von IG Windkraft betonen, dass das System tatsächlich reformiert gehört. "Viele Dinge des Strombereichs in Österreich liefen noch immer im Dunkeln", so Moidl. Mit den jetzigen Bedingungen seien die Ausbauziele bis 2030 nicht zu schaffen, betont auch Immitzer - umso wichtiger sei ein neues Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das dies berücksichtige. Hier sind wiederum sowohl die Interessenverbände als auch der Rechnungshof einer Meinung. So schreiben die Autoren des Rechnungshofberichts, die Richtung des von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) noch für 2020 angekündigten neuen EAG stelle "eine richtungsweisende Weiterentwicklung des bisherigen Fördersystems für Ökostrom dar." /Peter Martens