Dortmund (energate) - Mit einer Nationalen Wasserstoffstrategie kann Deutschland seine Vorreiterrolle in dieser Schlüsseltechnologie für die Umsetzung der Klimaschutzziele unterstreichen. Dabei sollte die Politik ambitionierte Ziele verfolgen und einen begrenzten Markthochlauf unter Federführung der Netzbetreiber etablieren.
Ein Gastkommentar von Thomas Gößmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Thyssengas
Eine Nationale Wasserstoffstrategie ist aus Sicht der Gasnetzbetreiber nur zu begrüßen. Vor allem im Hinblick auf die kommende EU-Ratspräsidentschaft unterstreicht sie Deutschlands Vorreiterrolle in dieser Schlüsseltechnologie, denn nur mit Wasserstoff lässt sich das Erreichen der Pariser Klimaziele, Versorgungssicherheit und bezahlbare Energie in Einklang bringen. Allerdings muss für das Gelingen der Strategie die bereits heute bestehende Netzinfrastruktur mitbedacht werden.
Deutschland hat sich durch das Know-how seiner Ingenieure und Forschungseinrichtungen einen Technologievorsprung erarbeitet und befindet sich in einer hervorragenden Ausgangsposition, um zum Vorreiter in der Herstellung und Weiterverarbeitung von Wasserstoff zu werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln beziffert die potenzielle zusätzliche Wertschöpfung durch die Produktion und den Bau von deutschen Elektrolyseuranlagen auf 36,4 Mrd. Euro und hält die Schaffung von 470.000 Arbeitsplätzen für möglich. Allerdings darf Deutschland nicht dieselben Fehler wie bei der Solarwirtschaft begehen und diesen Vorsprung verlieren.
Import wird unabdingbar sein
Als Industriestandort benötigt Deutschland auch in Zukunft so große Mengen an Energie, dass der Import von Wasserstoff unabdingbar sein wird. Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) stellen sich daher darauf ein, große Mengen an CO2-neutralen Gasen unabhängig von der Farblehre zu transportieren.
Um die intelligente Sektorenkopplung zu ermöglichen und zügig eine Transportinfrastruktur für Wasserstoff zu schaffen, sollte die bereits vorhandene Gasnetzinfrastruktur genutzt werden und der Transport von Wasserstoff durch regulierte Netze erfolgen. Die FNB haben hierzu bereits einen gemeinsamen Vorschlag für notwendige rechtliche und regulatorische Anpassungen für die Vision einer deutschlandweiten Wasserstoffinfrastruktur vorgelegt, die zu 90 Prozent auf dem bestehenden Erdgastransportnetz basiert. Dieser verlässliche Rahmen erlaubt es den Markteilnehmern, diskriminierungsfrei und technologieoffen den Hochlauf eines wettbewerblichen Wasserstoffmarktes in allen Sektoren zu realisieren.
Würde der bewährte Regulierungsrahmen für den Transport von Erdgas so weiterentwickelt werden, dass er auch auf Wasserstoff Anwendung findet, können die langen Abschreibungszeiträume der Netzinfrastruktur und die Kostenkontrolle durch die Bundesnetzagentur dafür sorgen, dass Energie weiterhin bezahlbar bleibt. Mit dem Aufbau einer solchen Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland wäre auch ein erster wichtiger Schritt zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für einen EU-weiten Energiewettbewerb getan.
Daneben sollte die Politik ambitioniert in ihren Zielen sein, denn auch bei dem von der Bundesregierung geplanten CO2-Preis von 65 Euro pro Tonne im Jahr 2026 wäre ein Elektrolyseur nicht wirtschaftlich.
Marktversagen vermeiden
Um ein Marktversagen zu vermeiden, schlagen die FNB einen begrenzten Markthochlauf für Elektrolyseure unter der Federführung der Netzbetreiber vor, um die Technologie zu etablieren, die Wechselwirkung von Anlagen in industriellem Maßstab auf beide Energietransportsysteme zu erforschen und erste Kostendegressionseffekte zu generieren. Kurzfristig können Projekte wie "ELEMENT EINS" den Marktteilnehmern diskriminierungsfreien Zugang zur Konvertierungsleistung Strom zu Gas gewährleisten. Danach können diese Anlagen an Interessierte veräußert werden und der Hochlauf sich im Markt weiterentwickeln. Dies erst ist die Voraussetzung für eine fulminante Entwicklung eines wettbewerblichen Wasserstoffmarktes.
Die FNB können und wollen zum Gelingen des Markthochlaufs beitragen. Wir warten auf ein entsprechendes politisches Signal, um den Wasserstofftransport auch in der aktuellen Netzentwicklungsplanung (NEP Gas 2020) berücksichtigen zu können. Mit einer ganzheitlichen nationalen Strategie kann die Bundesregierung während ihrer EU-Ratspräsidentschaft entscheidende Impulse zum Gelingen der Energiewende in Europa setzen.