Berlin (energate) - Nur wenige Kunden setzen bislang ihre Zahlungsverpflichtungen für Strom- und Gaslieferverträge in der Coronakrise aus. Das ergab eine Umfrage von energate unter mehr als einem Dutzend Energielieferanten und Stadtwerken. Mit dem "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" hatte die Bundesregierung Ende März privaten Verbrauchern sowie Kleingewerben die Möglichkeit eröffnet, fällige Zahlungen für Strom- und Gaslieferverträge ab 1. April für drei Monate auszusetzen. Die Betroffenen müssen lediglich nachweisen, dass sie wegen der Coronakrise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. In der Energiebranche war die Regelung nicht unumstritten, unter anderem weil die Versorger für Umlagen- und Abgaben auf dem Strompreis in Vorleistung treten müssen. Der BDEW warnte vor zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen und brachte eine öffentliche Fondslösung für Kunden in Zahlungsschwierigkeiten ins Gespräch (energate berichtete).
Überschaubare Fallzahlen
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Sechs Wochen nach Inkrafttreten der Regelung zeigt sich, dass sich die Auswirkungen der Regelung in Grenzen halten. energate fragte dazu bei kleineren und größeren Energievertrieben sowie Stadtwerken nach. Alle Unternehmen bestätigen, dass Kunden mit der Bitte um Zahlungsaussetzung an sie herangetreten seien. Es handle sich aber insgesamt nur um eine überschaubare Zahl von Fällen, auch wenn nicht alle Unternehmen genaue Zahlen nannten. Privat- und Gewerbekunden würden nur "in geringem Umfang" von der Regelung Gebrauch machen, hieß es etwa von der Mannheimer MVV. Auch die Lechwerke (LEW) sprachen von einzelnen Fällen bei privaten Kunden. Von Eprimo hieß es, es gebe keine spürbaren Auswirkungen.
Genaue Zahlen zum Zahlungsmoratorium lieferte die Berliner Gasag. Demnach haben dort 0,17 Prozent, in absoluten Zahlen 969 aller Strom- und Gaskunden, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Zahlungen bis zum 30. Juni auszusetzen. Beim Energievertrieb Lekker geht es um eine Fallzahl im niedrigeren zweistelligen Bereich bezogen auf eine Kundenzahl von 360.000. Der ostdeutsche Versorger EnviaM meldet 37 von 1,25 Mio. Kunden, die ihre Zahlungen bis Ende Juni ausgesetzt haben. Lediglich die Stadtwerke Düsseldorf sprechen von einer vierstelligen Zahl an Kunden, die aktuell um eine Abschlagsanpassung gebeten haben. Tatsächliche Stundungen habe es aber nur in geringerem Umfang gegeben.
Individuelle Lösungen gefragt
Generell versuchen die Unternehmen, den Kunden auf andere Art und Weise bei Zahlungsengpässen zu helfen. Die Eon-Tochter E-wie-einfach bietet etwa temporäre Abschlagssenkungen sowie erweiterte Ratenpläne an. Auch von den Stadtwerken München hieß es, Kunden in Zahlungsschwierigkeiten könnten sich melden, um gemeinsam eine verträgliche Lösung zu finden. Die Stadtwerke Oranienburg bieten ebenfalls individuelle Lösung an, etwa Teilzahlungen. Die MVV unterstützt in Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim einen Nothilfefonds für Privatkunden, die unverschuldet in Not geraten sind und ihre Energie- und Wasserrechnungen nicht bezahlen können, unabhängig von der Coronakrise. Der Vorteil von individuellen Lösungen: Die Kunden sitzen am Ende des Moratoriums nicht auf hohen Forderungen.
Das Vorgehen, lieber ein bisschen zu bezahlen als gar nichts, deckt sich auch mit Empfehlungen der Verbraucherzentrale NRW. Gerade für Haushalte mit knappem Budget könnte es sich als ein Bumerang erweisen, Zahlungen zunächst auszusetzen und später nachzahlen zu müssen, sagte Energieexperte Udo Sieverding zu energate. Auch nach Schätzungen der Verbraucherschützer haben bisher nicht viele Energiekunden das gesetzliche Zahlungsmoratorium in Anspruch genommen. /kw