Brüssel (energate) - Wissenschaftler kritisieren die schlechte Treibhausgasbilanz von Fracking-Gas und LNG. Insbesondere die Methan-Emissionen sehen sie bisher unterschätzt. Schiefergas emittiert weitaus mehr Methan als konventionelles Erdgas, sagte der Methan-Experte Robert Howarth, Professor für Umweltforschung an der Cornell University in Ithaca, New York, auf einer von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Deutschen Umwelthilfe gemeinsam veranstalteten Webkonferenz. "Methan ist ein 120 Mal schädlicheres Treibhausgas als CO2", so Howarth. Er berief sich auf aktuelle Untersuchungen der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Environment Defence Fund (EDF). Die habe für die USA herausgefunden, das bei Produktion und Transport von Fracking-Gas insgesamt 3,2 Prozent der enthaltenen Methanmenge in die Atmosphäre gelange. Er halte sogar einen Wert von sechs Prozent für möglich.
Amerikanisches Fracking-Gas trage zu mindestens 35 Prozent zum weltweiten Anstieg der Methan-Konzentration in der Atmosphäre seit 2007 bei. Weil zur Verflüssigung von Erdgas zu LNG, das vor allem exportiert werde, 20 Prozent des Schiefergases verbrannt werden müssten, sei der Treibhausgasfußabdruck von LNG sogar größer als der von Kohle. Deshalb solle man die LNG-Infrastruktur in Europa nicht weiter ausbauen, so seine Forderung.
Scheer: Keine LNG-Terminals in Deutschland
ThemenseitenAuf folgender Themenseite finden Sie weitere Meldungen zum Thema. LNG
Dem pflichtete bei der Online-Veranstaltung die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer bei. "Wenn man LNG-Terminals fördert, erhöht man die Abhängigkeit von LNG", sagte Scheer, die Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ist. Sie warnte vor Lock-in-Effekten, die einen Erdgas-Ausstieg unmöglich machten. Aus Ihrer Sicht dürfe Deutschland nicht zu einem Standort für LNG-Terminals werden. Geplant sind Anlagen in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven. Scheer betonte, sie vertrete hier eine andere Position als der Koalitionspartner CDU/CSU. Dies gelte auch für die deutsche Wasserstoffstrategie, in der blauer Wasserstoff aus Abtrennung und Abspeicherung von CO2 (CSS) eine Rolle spiele. Demgegenüber sprach sich Scheer für die Pipeline Nordstream 2 aus: "Ich ziehe Pipeline-Gas dem LNG vor". Sollte russisches Gas durch Fracking-Gas abgelöst werden, sei das geopolitisch nicht zu verantworten.
EU-Methan-Strategie lässt auf sich warten
Die LNG-Importe aus den USA nach Europa haben sich seit 2018 nahezu verdoppelt (energate berichtete). Die Internationale Energieagentur schätzte in ihrem Methan Tracker Report vom März die weltweiten Methan-Emissionen von Erdgas im Jahre 2019 auf rund 40 Mio. Tonnen. "Methan ist eine unbequeme Wahrheit", sagte Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe. Er kritisierte, dass die Bundesregierung in ihrer Gasstrategie die Methan-Emissionen außer Acht ließe. Sie solle sich die EU-Kommission zum Vorbild nehmen, die eine Methan-Reduktionsstrategie für den Energiesektor entwickle. Anberaumt ist die Strategie im Rahmen des Green Deal Arbeitsplans noch für dieses Jahr. Wann genau konnte die EU-Kommission auf Anfrage von energate nicht sagen. /rl