Stellen die Betreiber ihre Wärmenetze um, dann hat das große Wirkung, sagt Julia Verlinden. (Foto: Sven Brauers)
Berlin (energate) - Jeder siebte Haushalt in Deutschland wird über ein Wärmenetz mit Heizwärme versorgt. Bei Neubauten liegt der Anteil sogar bei einem Viertel. Doch der größte Teil dieser Netze wird immer noch mit Wärme aus Kohle- oder Erdgaskraftwerken gespeist. Das ist weder nachhaltig noch kompatibel mit den Pariser Klimazielen. Am Umbau der Fernwärmeversorgung führt kein Weg vorbei.
Ein Gastkommentar von Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Stellen die Netzbetreiber ihre Wärmeerzeugung und -verteilung neu auf, hat das große Wirkung: Auf einen Schlag können Tausende Haushalte erneuerbare Wärme bekommen und damit unabhängig von Kohle, Öl und Erdgas werden. Um die Wärmenetze zu Klimaschützern zu machen, müssen wir an drei Schrauben drehen:
1) Energieeffizienz: Häufig verschlechtern Wärmeverluste die Energiebilanz von Wärmenetzen. Um diese zu minimieren, müssen Leitungen, Verdichter und Übergabestationen auf den neuesten Stand der Technik gebracht und Vorlauftemperaturen möglichst abgesenkt werden. Auch auf Kundenseite muss mehr für Energieeinsparung und Effizienz passieren. Genauso wie bei Öl- oder Gasheizungen im Keller gilt: Je besser Dämmung von Dach, Fassade und Fenstern, desto geringer der Heizenergiebedarf.
2) Erneuerbare Wärmequellen: Der Erneuerbaren-Anteil an der Wärmeversorgung stagniert seit Jahren bei 14 Prozent. Der Umstieg auf Erneuerbare muss dringend angeschoben werden. Das Potenzial nachhaltig erzeugter Biomasse ist begrenzt und grüner Wasserstoff sollte vorrangig in der Industrie zum Einsatz kommen. Daher müssen verstärkt Großwärmepumpen, Solarthermieanlagen, Geothermie und Abwärme zum Einsatz kommen.
3) Wärmeplanung: Um Wärmequellen und -nutzer zusammenzubringen, muss man sie erst einmal kennen. Ein Wärmekataster und eine kommunale Wärmeplanung helfen, Wärmebedarf und Abwärmepotenzial zu ermitteln und Verknüpfungsmöglichkeiten vor Ort aufzudecken.
Es fehlen Investitionsanreize und politische Vorgaben
Bisher fehlen die entscheidenden Investitionsanreize für moderne Wärmenetze. Kohle, Öl und Erdgas werden weiterhin deutlich unter ihren ökologischen Folgekosten angeboten, Marktsignale zugunsten von Energieeinsparung und Erneuerbaren reichen nicht aus. Nur mit den richtigen politischen Vorgaben und Förderprogrammen lässt sich dieses Defizit beseitigen.
Notwendig ist erstens gezielte Förderung. Zuschüsse für Investitionen in Großwärmepumpen, Tiefen-Geothermie, Großflächen-Solarthermie oder Abwärmenutzung aus Gewerbe, Industrie und Abwasser helfen beim Umstieg auf Erneuerbare. Zusätzlich sollte der Bund einen Eigenkapitalfonds für die Förderung klimaneutraler Stadtwerke auflegen und Sprinterprämien für Vorreiter ausloben.
Die Kraft-Wärme-Kopplung soll nur noch beim Einsatz von erneuerbaren Energien gefördert werden, Boni für erneuerbare und strombasierte Wärme steigen. All das sollte bereits im anstehenden Kohleausstiegsgesetz einfließen.
Zweitens geht es nicht ohne klimagerechte Vorgaben für Energieeffizienz bei Neubauten und bei der Sanierung bestehender Gebäude. Der Einsatz von erneuerbaren Energien muss auch im Bestand verpflichtend werden, das gilt auch für die Fernwärmeversorgung. Um Abwärme besser nutzen zu können, wird eine kommunale Wärmeplanung schrittweise verbindlich. Finanzschwache Kommunen bekommen dabei finanzielle Unterstützung vom Bund.
CO2-Ausstoß braucht einen angemessenen Preis
Um die Wirtschaftlichkeit von Klima- und Umweltschutz zu unterstützen, braucht drittens der Ausstoß von CO2 einen angemessenen Preis. Im Stromsektor wollen wir einen Mindestpreis im Emissionshandel und gezielte Stilllegung von Zertifikaten für abgeschaltete Kohlekraftwerke. Im Wärmesektor soll ein CO2-Preis ab 2021 kommen. Dank der grün mitregierten Bundesländer konnte der Einstiegspreis immerhin von wirkungslosen 10 auf 25 Euro pro Tonne erhöht werden. Bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen.
Viele Wärmenetzbetreiber stehen angesichts des Kohleausstiegs vor dringenden und großen Investitionsentscheidungen. Für eine klimagerechte und nachhaltige Wärmeversorgung ist es keine Lösung, lediglich von Kohle auf Erdgas umzusteigen und damit bei fossiler Energie zu bleiben. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, mit klaren Vorgaben und Anreizen die Modernisierung der Wärmenetze und Wärmequellen möglich und attraktiv zu machen. Dann können Wärmenetze zu einem echten Teil der Energiewende werden.
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