Versorger müssen sich auf ein steigendes Ausfallrisiko im Gewerbekundensegment als Folge der Coronakrise einstellen. (Foto: Techem)
Essen/München (energate) - Energieversorger müssen sich als Spätfolge der Coronakrise vermehrt auf Zahlungsausfälle von Industrie- und Gewerbekunden einstellen. Laut einer aktuellen Analyse der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman entfallen 43 Prozent des Strombedarfs im B2B-Sektor auf Unternehmen, die ein hohes Kreditrisiko aufweisen. Im Zuge der Analyse haben die Berater mehr als 60 Branchen analysiert und das Kreditrisiko ermittelt. Demnach bestehen bei einem Viertel der hiesigen Unternehmen "ernste Liquiditätsprobleme", was Zahlungsausfälle für Versorger wahrscheinlich werden lässt.
Kooperative Lösungen gefragt
Die Berater empfehlen, das Problem frühzeitig anzugehen: "Versorger sollten ihr Kundenportfolio analysieren, nach Clustern einordnen und Reaktionspläne für eventuelle Ausfälle erstellen", sagte Thomas Fritz, Partner von Oliver Wyman im Gespräch mit energate. Er empfiehlt, im Austausch mit den Kunden nicht bloß auf kurzfristige Zahlungseingänge zu beharren, sondern nach kooperativen Lösungen zu suchen. Dabei gelte es auch, die Langfristpotenziale eines Kunden - auch über das Commodity-Geschäft hinaus - zu bewerten. "Die Krise könnte auch ein geeigneter Zeitpunkt sein, um in langfristige Kundenbeziehung zu investieren", so Fritz. Viele Onsight-Lösungen basierten auf Partnerschaften oder gar Joint Ventures zwischen Versorger und Industriekunden. Eine weitere Lösung könnte in Angeboten bestehen, die Liquiditätsspielräume schaffen, wie etwa das Contracting, nannte Berater Fritz ein Beispiel.
Oliver Wyman zählt in das ermittelte Hochrisiko-Cluster solche Industriesegmente, die einen hohen Stromverbrauch aufweisen und auch schon vor Corona mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen hatten. Dazu gehört etwa die Automobil-, Papier- und die Chemieindustrie. Aber auch weniger energieintensive Unternehmen, deren Geschäft als Folge der Krise stark eingebrochen ist, gehören der Risikogruppe an. Dazu zählen Fritz zufolge beispielsweise Restaurants, Einzelhändler, Fitness-Studios oder auch Reisebüros. Auch wenn die Energieverbräuche dieser Kundengruppe vergleichsweise gering seien, könne es in der Summe bei Lieferanten zu signifikanten Zahlungsausfällen kommen, die im Kleingewerbe ein starkes Kundensegment aufweisen.
Kundenportfolio auf Werthaltigkeit trimmen
Oliver-Wyman-Partner Fritz sieht in der aktuellen Krise aber auch eine Gelegenheit, die eigene Position im Vertriebsgeschäft zu hinterfragen. "Versorger sollten - falls noch nicht geschehen - ihr Kundenportfolio rigoros auf seine Werthaltigkeit hin durchkämmen und sich konsequent von wenig ertragreichen Kundenclustern trennen", empfiehlt der Berater. In vielen Portfolien gebe es dafür nach wie vor große Potenziale, da viele Energieversorger im B2B-Segment bislang "auf Volumen" gesetzt hätten. /rb
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