Berlin (energate) - Die noch nicht beschlossene Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) sieht eine Erhöhung der Ausbauziele für Offshore-Windkraftkapazitäten vor. Umstritten ist allerdings die zweite Gebotskomponente. Ob dieses Marktmodell durchkommt, ist allerdings fraglich - hat sich doch bereits der Umweltausschuss dagegen ausgesprochen. Auch Dominik Huebler, Associate Director, Nera Economic Consulting und Sebastian Lutz-Bachmann, Principal Associate bei PSWP sehen die zweite Gebotskomponente kritisch.
Ein Gastkommentar von Dominik Huebler und Sebastian Lutz-Bachmann
Das Bundeskabinett hat am 3. Juni neben der Erhöhung der Ausbauziele für Offshore-Wind auch die Einführung einer sog. zweiten Gebotskomponente mit der Möglichkeit zur Abgabe negativer Gebote beschlossen. Nachdem in zurückliegenden Ausschreibungen mehrere Bieter auf die EEG-Förderung verzichteten ("Nullgebote") müssen neue Kriterien zur Unterscheidung zwischen Geboten gefunden werden. In Europa existieren dafür bisher im Wesentlichen zwei Ansätze: Vergabe nach qualitativen Kriterien, beispielsweise Risikomanagement-Plan des Bieters wie in den Niederlanden und die Vergabe nach Bereitschaft zur Rückzahlung von Erlösen in Hochpreisphasen durch eine sogenannte "symmetrische Marktprämie" beziehungsweise "Contracts for Differences" (CfD) wie in Großbritannien, Frankreich und Polen. Die Bundesregierung geht allerdings einen neuen Weg und setzt auf das "Nullgebot" noch die Möglichkeit des "Negativgebots" auf. Anstelle der EEG-Förderung würde somit eine Konzessionszahlung treten, die von den Betreibern erwirtschaftet werden müsste. Gegenüber dem CfD-Modell stellt der vorgeschlagene Ansatz letztlich eine Verschlechterung nicht nur für Erzeuger, sondern auch für Stromkunden dar: Von der Bundesregierung unbestritten würde das vorgeschlagene Modell die Finanzierungskosten gegenüber einer symmetrischen Marktprämie um circa 30 Prozent erhöhen. Das sind bei den geplanten Projekten bis 2030 immerhin zwischen 4 und 8 Mrd. Euro.
Zudem würde das Risiko steigen, dass die Wettbewerbsintensität in den Ausschreibungen fällt und dass bezuschlagte Projekte nicht realisiert werden, wie wir in einem
gemeinsamen Artikel zeigen. Die höheren Kosten würden in wettbewerblichen Ausschreibungen eingepreist und im Endeffekt durch den Stromkunden bezahlt. Wenn dann noch Projektabbrüche zur Verfehlung der angehobenen Ausbauziele führen, gibt es unter dem neuen Modell nur Verlierer. Statt der angestrebten Marktintegration von erneuerbaren Energien würde mit der Einführung von Konzessionszahlungen das Gegenteil erreicht. Fehlender Wettbewerb und die Nicht-Realisierung von Projekten sind vom Onshore-Wind zur Genüge bekannt und sollten bei Offshore-Wind nicht wiederholt werden.
Eine verbesserte Marktintegration ist zudem unabhängig vom Modell möglich: Die systemkostenfreundliche Standortauswahl, der regulatorische Rahmen für Stromspeicher und der Umgang mit negativen Preisen fallen in beiden Modellen in die Sphäre des Staats. Es gibt also diverse Hebel, die Systemkosten bei Offshore-Wind zu senken, ohne die Finanzierungskosten zu erhöhen. Bei Wettbewerb sind auch unter dem CfD-Modell Gebote in Höhe des erwarteten Marktpreises oder darunter zu erwarten: Das EEG-Konto würde dadurch im Vergleich zum gegenwärtigen System der EEG-Förderung entlastet; eine Förderung nur im Fall unerwartet niedriger Marktpreise bezahlt.
Das Konzessionsmodell ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, denn es würde das sog. Eintrittsrecht entwerten. Das Eintrittsrecht wurde den Projektträgern als Kompensation dafür gewährt, dass sie durch das WindSeeG 2017 der Rechte an ihren bereits planfestgestellten Projekten enthoben wurden. Durch die Einführung von Konzessionszahlungen würde dieses Eintrittsrecht jetzt nachträglich entwertet. Der Offshore-Netzausbaubeitrag wäre zudem eine Sonderabgabe, die nicht ohne Weiteres die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Rechtfertigung solcher Abgaben erfüllen dürfte - die Kernbrennstoffsteuer lässt grüßen.
Es bleibt zu hoffen, dass die vom Bundesrat gestartete Initiative zu einer Korrektur des vorgeschlagenen Modells führt - nicht nur im Sinne des beschleunigten Ausbaus der Offshore-Windkraft, sondern auch im Sinne der Stromkunden.
/Dominik Huebler/Sebastian Lutz-Bachman