Stuttgart (energate) - Der Karlsruher Energiekonzern EnBW stellt sich für das laufende Jahr auf coronabedingte Einbußen im operativen Geschäft ein. Dennoch hält Vorstandschef Frank Mastiaux an den finanziellen Zielen für das Gesamtjahr fest. Der Strategieschwenk des Konzerns hin zu einem umfassenden Infrastrukturanbieter auch jenseits von Strom und Gas soll helfen, "die Coronakrise auch als Chance zu nutzen", betonte er bei der ersten virtuellen Hauptversammlung der EnBW, die das Unternehmen von der Niederlassung in Stuttgart aus übertrug.
In den ersten fünf Monaten sei es gelungen, negative Corona-Effekte moderat zu halten, sodass der Konzern unter anderem ohne Kurzarbeit auskam. Spüren werde der Konzern die Folgen der Pandemie durch die geringere Stromnachfrage der Industriekunden im Vertrieb, im Netz sowie durch Forderungsausfälle auf der Kundenseite, blickte er voraus. Weitere Einbußen könnten sich ergeben, falls sich Instandhaltungsmaßnahmen und Revisionen von Kraftwerken verzögern oder verlängern, so Mastiaux weiter. Dennoch soll die EnBW ihren Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um mindestens 13 Prozent steigern und eine Bandbreite zwischen 2,75 Mrd. und 2,9 Mrd. Euro erreichen.
Corona drückt Erträge im Vertrieb wohl bis 2022
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Gleichwohl stellte Finanzvorstand Thomas Kusterer auf Nachfrage klar, dass die Ziele speziell im Vertrieb ambitioniert seien und EnBW in diesem Segment für 2021 und 2022 mit Einbußen im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich rechne. Die Mittelfristziele bis zum Jahr 2025, die Mastiaux selbst ebenfalls ambitioniert nannte, sind aus Sicht des Managements dennoch weiterhin erreichbar. Zum bisherigen Pandemie-Krisenmanagement zog Mastiaux ein positives Fazit. Der bereits im Februar etablierte Krisenstab und die Investitionen in IT-Infrastruktur und Digitalisierung hätten dazu beigetragen, dass die EnBW unter Covid-19-Bedingungen ohne größere Störungen weiterlief, betonte er. Insgesamt verzeichnete das Unternehmen Mastiaux zufolge konzernweit 64 Corona-Infektionen, die weitgehend mild verliefen.
F&E: Grüner Wasserstoff spielt kaum eine Rolle
Anders als Windkraft und E-Mobilität spielt grüner Wasserstoff bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle der EnBW aktuell eine untergeordnete Rolle. Das machte Chief Technical Officer Hans-Josef Zimmer auf Nachfrage aus dem Aktionariat deutlich. Ihm zufolge beschäftigte sich die EnBW zwar bereits seit Mitte der 2000er Jahre mit dem Einsatz von Brennstoffzellen in Bussen und betreibt aktuell auch Forschung zur Wasserstoffelektrolyse aus erneuerbarem Strom. Der Aufwand dazu bewegt sich allerdings im einstelligen Millionen-Eurobereich. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Produktion von grünem Wasserstoff aus Konzernsicht derzeit nicht wirtschaftlich möglich ist.
Weiter wachsen will die EnBW indes als Infrastrukturbetreiber für E-Mobilität. Dass sich aktuell das Bundeskartellamt mit der Preisgestaltung an den Ladesäulen befasst (energate berichtete), begrüßte Konzernchef Mastiaux. Die EnBW werde gerne mit der Behörde kooperieren, falls Fragen aufkommen, betonte er. Es ist im Interesse der Betreiber mehr Transparenz zu schaffen, das erhöht das Vertrauen der Kunden in E-Mobilität, konstatierte er. Allerdings könne die EnBW "keine Behinderung des Marktes erkennen".
Mastiaux: EnBW wäre zu schnellerem Braunkohleausstieg bereit gewesen
Auch zur aktuellen Debatte um den beschlossenen Kohleausstieg und zur vertraglichen Ausgestaltung des Braunkohleausstiegs fand Mastiaux deutliche Worte. Der Konzern weigert sich bislang, den Vertrag zu unterzeichnen, weil das Management Schadenersatzansprüche aus langfristigen Lieferverträgen fürchtet (energate berichtete). Dies betrifft den Konzern durch seine Beteiligung am Leag-Kraftwerk Lippendorf in Sachsen. Die EnBW sei für eine frühere Abschaltung der Braunkohlekraftwerke offen gewesen, betonte er. Nach aktuellem Stand geht der EnBW-Kohlekraftwerksblock Lippendorf frühestens 2032 und endgültig 2035 vom Netz. Mastiaux zufolge war der Konzern offen für eine Abschaltung "Ende der 2020er" Jahre - bei entsprechender Entschädigung. Bereit sei EnBW weiterhin für weitere Gespräche über den Vertrag, so Mastiaux weiter.
Ein großer Teil des 6.000 MW umfassenden fossilen Kraftwerksparks der EnBW besteht aus Steinkohle-Meilern. Entsprechend kritisch äußerte sich das Management zu den Regelungen zum Steinkohleausstieg. "Dass moderne Steinkohleanlagen früher und zugunsten von alten, CO2-intensiveren Braunkohleanlagen vom Netz gehen müssen, bleibt ein klimapolitischer Webfehler", so Mastiaux. /pa