Hemmingstedt/Berlin (energate) - Das Wasserstoffprojekt "Westküste 100" hat sich als erstes Reallabor die Förderung vom Bund gesichert und kann damit in die Umsetzung gehen. Das Projektkonsortium habe am 3. August die Zusage über 30 Mio. Euro erhalten, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Damit rücke das Ziel, schrittweise eine regionale Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab an Schleswig-Holsteins Küste aufzubauen, einen entscheidenden Schritt näher, hieß es. Insgesamt steht hinter dem Projekt den Angaben zufolge ein Investitionsvolumen von 89 Mio. Euro. Im April hatte das Konsortium die Förderung beantragt (
energate berichtete). Die Partner wollen grünen Wasserstoff produzieren und diesen im Gasnetz transportieren, um den Energieträger in verschiedenen Sektoren zu nutzen.
Reallabore sollen auf Nationale Wasserstoffstrategie einzahlen
Damit ist es ziemlich genau ein Jahr her, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die 20 Gewinner des von ihm ausgerufenen Ideenwettbewerbs "Reallabore der Energiewende" verkündet hatte (
energate berichtete). Seitdem standen die Projekte quasi in der Warteschleife, denn ohne die vom Bund in Aussicht gestellte Förderung schien eine Realisierung wirtschaftlich nicht möglich. Mit der von der Bundesregierung im Juni vorgelegte Nationalen Wasserstoffstrategie (
energate berichtete) bekommen die Reallabore, die sich vor allem mit Power-to-X-Technologien befassen, aber nun noch mal mehr Tragweite. "Ich freue mich sehr, dass das Reallabor 'Westküste 100' bereits Bausteine der Nationalen Wasserstoffstrategie umsetzt", kommentierte Altmaier. "Solche Projekte helfen uns, die Technologieführerschaft für das Thema Wasserstoff zu übernehmen", so der Wirtschaftsminister. Dies sei gut für die Region in Schleswig-Holstein, aber auch für den Technologiestandort Deutschland.
Thüga: 100 Prozent Wasserstoff bis 2050
Insgesamt sind zehn Unternehmen an dem Projekt beteiligt, darunter EDF Deutschland, der Baustoffhersteller Holcim, der Fernleitungsnetzbetreiber OGE, Ørsted, die Raffinerie Heide, die Stadtwerke Heide sowie der Stadtwerkeverbund Thüga. Gemeinsam wollen sie Erkenntnisse darüber erlangen, wie die Einspeisung von Wasserstoff ins Gasnetz, der sichere Transport sowie die Speicherung des Energieträgers in einer unterirdischen Kaverne gelingen kann. "Unser Fernziel ist eine H2-Quote im Gasnetz von bis zu 100 Prozent bis 2050", sagte Michael Riechel, Vorstandsvorsitzender der Thüga. Mit dem Testlauf einer Wasserstoff-Beimischung von bis zu 20 Prozent in einem Netzabschnitt mit über 200 Haushaltskunden schafften die Thüga und die Stadtwerke Heide einen konkreten Präzedenzfall. Hierfür sei eine neu zu errichtende Wasserstoffpipeline zu den Stadtwerken Heide vorgesehen. In einem weiteren Schritt wird zukünftig auch eine Wasserstofftankstelle beliefert.
Verzahnung mit bestehenden industriellen Prozessen
Das Besondere an dem auf fünf Jahre ausgelegten Projekt sei aber auch die Verzahnung unterschiedlicher Sektoren innerhalb einer bestehenden regionalen Infrastruktur. Dazu zählt etwa die Einbindung des grünen Wasserstoffs in die Produktionsprozesse der Raffinerie Heide. Darüber hinaus untersuchen die Projektpartner, wie das Nebenprodukt Sauerstoff den Verbrennungsprozess in einem Zementwerk emissionsärmer und damit klimafreundlicher machen kann. Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft soll das im Verbrennungsprozess entstehende Kohlenstoffdioxid im nächsten Schritt als Rohstoff zum Einsatz kommen, um den chemischen Grundstoff Methanol herzustellen.
Noch keine Investitionsentscheidung
Auch der Fernleitungsnetzbetreiber OGE begrüßt den nun erhaltenen Förderbescheid. "Mit dem Zuwendungsbescheid sind wir unserem Projektziel, reinen Wasserstoff in einer zum Gasversorgungsnetz gehörenden Leitung zu transportieren, einen großen Schritt nähergekommen", so OGE-CEO Jörg Bergmann. Er mahnt aber auch eine möglichst schnelle Umsetzung an. "Dazu müssen wir die genehmigungsrechtlichen und regulatorischen Hürden nehmen, damit die anderen Projektpartner und wir im nächsten Jahr die finale Investitionsentscheidung für den Baustart treffen können", so Bergmann. Im ersten Schritt soll ein neu gegründetes Joint Venture, die "H2 Westküste GmbH", bestehend aus EDF, Ørsted und der Raffinerie Heide, einen 30-MW-Elektrolyseur errichten, der den Offshore-Windstrom verarbeitet. Perspektivisch soll dort eine Anlage mit 700 MW Elektrolyseursleistung entstehen. /ml