Mit dem Verfahren ließe sich ein Großteil des heimischen Gasbedarfs mit Erneuerbaren decken, so die RAG. (Foto: Karin Lohberger Photography)
Pilsbach (energate) - Mikroorganismen aus der Urzeit, die unterirdisch in einer Tiefe von 1.000 Metern grünen Wasserstoff und Kohlendioxid in reines Methan umwandeln - das ist der Kern eines weltweit einzigartigen Forschungsprojekts des Energiespeicherunternehmen RAG Austria. Nach Abschluss des ersten Pilotprojekts läuft derzeit in Pilsbach in Oberösterreich das zweite Projekt namens "Underground Sun Conversion", dessen Ergebnisse im kommenden Februar vorliegen sollen. Das zentrale Ziel ist die Entwicklung einer Methode, mit der die großvolumige saisonale Speicherung von Energie aus Erneuerbaren gelingen kann.
"Man könnte damit den Großteil des Gasbedarfs decken"
Das Potenzial dieser Technologie sei jedenfalls enorm, erklärte Stephan Bauer, Leiter der Abteilung Green Gas Technology gegenüber energate: "In Österreich werden im Jahr etwa acht Mrd. Kubikmeter Erdgas verbraucht. Die RAG hat in Österreich bei Gasspeichern ein Arbeitsvolumen von sechs Mrd. Kubikmeter. Könnte man alle der RAG zur Verfügung stehenden Erdgasspeicher für dieses Verfahren nutzen, könnte man damit einen Großteil des heimischen Gasbedarfs decken." Dasselbe gelte für den Gasbedarf weltweit, so Bauer: "Es gibt weltweit Erdgaslagerstätten. Sie sind nicht alle für die mikrobiologische Umwandlung von Wasserstoff in Methan geeignet. Aber, selbst wenn nur ein Bruchteil der Lagerstätten dafür geeignet ist, sollte es kein Problem sein, allein mit Energie aus Erneuerbaren den Großteil des Erdgasbedarfs zu decken."
Die Idee für das Projekt sei bei einem Vorgängerprojekt entstanden, bei dem es um die Möglichkeit der Einspeicherung von Wasserstoff unter Tage ging. Die Forscher der RAG und der Universität für Bodenkultur Wien entdeckten einen Nebeneffekt: Tief in der Erde lebende Mikroorganismen verwandeln den Wasserstoff und CO2 in Methan. Diese Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, sind weltweit verbreitet, leben unter anderem im Verdauungstrakt von Menschen und Haustieren und waren bereits vor Jahrmillionen für die Umwandlung von Biomasse in Erdgas verantwortlich. "Dieses Nebenergebnis war so vielversprechend, dass wir ein Nachfolgeprojekt gestartet haben", sagte Bauer. Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich auf acht Mio. Euro, von denen der Klima- und Energiefonds 4,9 Mio. Euro als Förderung übernimmt.
Umwandlung in 1.000 Meter Tiefe
Daher baute die RAG eine bestehende Anlage in Pilsbach aus, bohrte Sonden in Gesteinsschichten in 1.000 Meter Tiefe und installierte eine Anlage mit einem Arbeitsgasvolumen von rund 600.000 Kubikmetern. Der Versuchsprozess läuft so ab: Oberirdisch erzeugt ein Elektrolyseur aus Erneuerbaren grünen Wasserstoff. Dieser wird mit CO2 in die Poren-Erdgaslagerstätte gepumpt, und in der Tiefe wandeln die vorhandenen Mikroorganismen diese Stoffe in Methan (CH4) um, der anschließend vor Ort gespeichert und genutzt werden kann.
Von der Marktreife sei die Technologie noch "einige Jahre" entfernt, erklärte Bauer weiter. "Derzeit sind wir aber weltweit führend damit, und wir merken, wie inzwischen das Interesse bei vielen Mitbewerbern und auch bei akademischen Institutionen stark gestiegen ist. Wir haben jedenfalls ein Patent auf die Technologie angemeldet und finden sie so interessant, dass wir nach Ablauf des jetzigen Projekts auf jeden Fall weitermachen wollen." Auch das Interesse der RAG liege auf der Hand, so Bauer: "Wir sind einer der führenden Gasspeicherdienstleister in Europa. Und auch bei uns geht es um die Frage, wie man diese Dienstleistung in einem auf Erneuerbaren basierenden System der Zukunft anbieten kann."
"Allein mit Batterien und Pumpspeichern wird es nicht gehen"
Die unterirdische Methanisierung von Wasserstoff und CO2 mithilfe von Mikroorganismen könne eine wichtige Antwort auf diese Frage sein, heißt es bei der RAG. "Wir können es uns in Zukunft nicht leisten, überschüssige Energie im Sommer einfach wegzuschmeißen. Wir brauchen unbedingt saisonale Speicher, denn allein mit Batterien und Pumpspeichern wird es nicht gehen", sagte Bauer. Noch nicht gelöste Fragen seien dabei die Verfügbarkeit von Strom aus Erneuerbaren sowie ausreichende Mengen gereinigtes CO2 - und andere regulatorische Rahmenbedingungen: "Erdgas aus Erneuerbaren wird nur konkurrenzfähig, wenn das Emittieren teurer wird."
Die RAG hat im Vorjahr mit 360 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 389 Mio. Euro gemacht. Das Unternehmen fördert Gas, produziert CNG und LNG und betreibt in Österreich zehn Speicheranlagen. Dem niederösterreichischen Versorger EVN gehören 50,025 Prozent am Unternehmen, der deutsche Energiekonzern Uniper hält knapp 30 Prozent, weitere Anteile gehören den Versorgern Energie Steiermark und Salzburg AG. /Peter Martens
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