energate-Sommerinterview
Hüls: "Normalität nach Covid-19 erwarten wir erst 2022"

Mit nachhaltigen Konzepten will Hüls die Stadtwerke Osnabrück durch die Coronakrise navigieren. (Foto: Stadtwerke Osnabrück)
Osnabrück (energate) - Die Coronapandemie macht das laufende Jahr für die Stadtwerke Osnabrück zu einer "maximalen Katastrophe", sagt Stadtwerkechef Christoph Hüls. Der ÖPNV und der Bäderbetrieb sorgen jeden Monat für sechsstellige Verluste. Im Interview im Rahmen der energate-Sommerserie erklärte Stadtwerkechef Hüls, warum er trotzdem optimistisch bleibt.
energate: Herr Hüls, hat die die Coronapandemie den Digitalisierungsplänen der Branche einen Impuls gegeben?
Hüls: Als einen Impuls für die Digitalisierungsprozesse würde ich die Coronapandemie keineswegs bezeichnen. Denn einen solchen Impuls hat unsere Branche überhaupt nicht gebraucht. Vielmehr war und ist die Pandemie ein Prozessbeschleuniger, indem sie uns die Erkenntnis gebracht hat, dass wir in vielen Dingen schneller sein können als wir das zuvor vermutet hätten. Denn alles, was wir in gerade einmal zwei Monaten gelernt haben und auch lernen mussten, hätte üblicherweise mehr als ein Jahr oder gar länger gedauert. Unsere Branche hat sich flexibler zu bewegen und bestimmte Verfahrensvorgaben zu überdenken. Und das tut sie.
Aus meiner Sicht wird Digitalisierung im Übrigen oftmals sehr oberflächlich beschrieben, mit Beispielen wie dem "papierlosen Büro" oder einer Konferenz über ein Videochatprogramm. Die digitale Transformation ist aber viel mehr und vielschichtiger: Es geht insbesondere um die Automatisierung von Prozessen und Abläufen, die nicht unmittelbar sichtbar sind. Unter dem Strich hat uns Covid-19 gezeigt, dass wir wesentlich leistungsfähiger sind, als wir das geglaubt haben. Dass die Pandemie jedoch einen massiven negativen Einfluss auf unser operatives Geschäft haben wird, ist unbestritten. Allerdings wird sie - Stand jetzt - unsere Investitionsentscheidungen und Zeitpläne für neue Projekte nicht beeinflussen.
energate: Woher kommt der Optimismus?
Hüls: Das Jahr 2020 ist coronabedingt eine maximale Katastrophe, insbesondere in den Bereichen Freizeit und Mobilität. Hier sind wir pro Monat tief im sechsstelligen Minusbereich - diese zwei Bereiche wirtschaften gerade dramatisch unter ihrem üblichen Niveau. Ich wäre daher froh und erleichtert, wenn wir am Jahresende gesamtunternehmerisch eine schwarze Null schreiben können. Eine genauere Prognose lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht geben. Auch für 2021 ist es schwierig, Annahmen zu machen. Wir gehen davon aus, dass erst das Geschäftsjahr 2022 wieder ein "normales" Geschäftsjahr werden kann.
Trotz der aktuellen Herausforderungen sehe ich aber unser kommunales Unternehmen mit einer gewissen finanziellen Kraft klar in der Lage, auch in diesen Coronazeiten, unsere geplanten Projekte und Investitionen durchzusetzen. Wir sind breit und diversifiziert aufgestellt: Neben der Energieversorgung sind wir in der Mobilität, im Freizeitbereich, im Wohnungsbau und in der Infrastrukturentwicklung aktiv und daher ein ziemlich kompletter Player. Lediglich im Freizeitbereich ist es denkbar, dass wir die eine oder andere geplante Attraktivierungsmaßnahme zeitlich verschieben müssen. In den anderen Geschäftsfeldern, wie beispielsweise beim Breitbandausbau oder beim Wohnungsbau, wäre eine Verschiebung von Investitionen und Projekten äußerst kontraproduktiv.
energate: Neben der Freizeit zählen Sie Mobilität zu Problembereichen.
Hüls: Die Coronapandemie hat die Situation im öffentlichen Nahverkehr dramatisch erschwert. So sehr wir uns über einen Rettungsschirm für den ÖPNV auch freuen mögen: Verschiedene Szenarien sagen einen anhaltenden Fahrgastrückgang voraus, was wiederum die auch politisch gewollten Ziele des Mobilitätswandels torpedieren würde. Diesen vorhergesagten Negativtrend wollen wir in Osnabrück natürlich umkehren. Wir sind bundesweit Vorreiter und setzen schon seit Jahren auf Elektromobilität. In Osnabrück fahren bereits seit 2019 insgesamt 13 batterieelektrische Gelenkbusse. Bis Ende 2021 werden alle fünf Metrobuslinien komplett auf Elektrobetrieb umgestellt sein. Mit dann 62 Fahrzeugen werden wir über die bundesweit größte E-Gelenkbusflotte verfügen. Unsere sauberen und leisen Busse prägen schon jetzt das Stadtbild und wecken das Interesse von potenziellen Kunden, die sonst nicht oft Bus fahren.
energate: Welche Rolle messen Sie generell dem Thema Elektromobilität bei?
Hüls: Als Energie- und Mobilitätsexperten besetzen wir das Thema Elektromobilität natürlich von Beginn an. So gehören wir zu den Initiatoren der Elektromobilitätsplattform Smartlab. Diese kommunale Plattform verfügt über die meisten Ladepunkte in Deutschland. Nun gilt es, die operative Tätigkeit im Geschäftsfeld Elektromobilität weiter auszubauen - und die alltäglichen Herausforderungen anzugehen. Das umfasst die kompetente Beantwortung inklusive Serviceleistungen zu Fragen rund um die Themengebiete Steuern, Abrechnung der Ladevorgänge, Einspeisemanagement oder auch eine kompetente Beratung zum Umgang mit Dienstwagen. Die richtigen Antworten können wir Stadtwerke erst dann liefern, wenn wir selbst mit diesen täglichen Fragen konfrontiert werden. Der größte Treiber hierfür ist es, wenn wir es selber tun und erfahren. Inzwischen zählt unsere E-Autoflotte knapp 50 Fahrzeuge. Zudem kommen wir in unserem Stadtgebiet auf mittlerweile mehr als 100 öffentliche Ladepunkte. Wir haben uns entschieden, das öffentliche Laden nicht an den Straßen, sondern in den Parkhäusern auszubauen. Eine unserer Tochtergesellschaften betreibt Parkhäuser und somit auch die Ladesäulen dort. Den Strom dafür liefern die Stadtwerke. Aus meiner Sicht hat sich das Konzept gut bewährt.
energate: Neben der Elektromobilität widmen sich die Stadtwerke Osnabrück aktuell verstärkt dem Thema Photovoltaik. Was haben Sie hier vor?
Hüls: Die Branche weiß natürlich, dass das klassische Commodity-Geschäft nicht mehr so tragfähig sein wird und die Margen weiter dauerhaft erodieren. Wir müssen uns entsprechend umorientieren und haben uns entschlossen, das Thema "Nachhaltigkeit" als Geschäftsmodell dauerhaft zu installieren. Im Vordergrund unserer Strategie steht nunmehr nicht mehr ausschließlich die absolute Höhe der Rendite, sondern die wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit - und zwar genau in dieser Kombination. Der Schlüssel liegt dabei im perfekten Schnittstellenmanagement. Hier können wir bereits jetzt auf viele Skills zurückgreifen, was insbesondere beim Thema Direktvermarktung für ein mittelgroßes Stadtwerk recht ungewöhnlich ist.
Unser Portfolio ist nicht groß, doch wir haben im Gegensatz zu vielen anderen Versorgern daran festgehalten - und die praktischen Erfahrungen gesammelt, die nun im Schnittstellenmanagement überaus wertvoll sind und uns einen gewissen Vorsprung verschaffen. Ergebnis unserer überarbeiteten Strategie ist auch, dass wir ab dem kommenden Jahr all unseren Osnabrücker Privatkunden grünen Regionalstrom anbieten können. Im Portfolio haben wir dafür eine Vielzahl von eigenen und fremden Photovoltaik- und Windkraftanlagen gebündelt bzw. ausreichend Lieferverträge mit regionalen Wind- und PV-Anlagenbetreibern geschlossen, um die Mengen anbieten zu können. Und: Unsere Kunden müssen dafür keinen Aufschlag bezahlen.
energate: Verlieren Sie nicht Geld damit?
Hüls: Selbst wenn mit dem Konzept zunächst erhöhte Kosten einhergehen, sind wir davon überzeugt, dass sich unsere Strategie nachhaltig und wirtschaftlich trägt. Die Stadt Osnabrück ist bekanntlich ein Vorreiter in Sachen Photovoltaik, indem die Stadt das seinerzeit erste Solardachkataster veröffentlicht hat. Die neue, überarbeitete Version zeigt deutlich, dass - wenn wir sämtliche Dachflächen in Osnabrück mit Solaranlagen ausstatten - die erzeugte Strommenge ausreicht, um bilanziell den Bedarf von Haushalten, Gewerbe und sogar der Industrie in Osnabrück zu decken. Ich bin sicher, dass die Akzeptanz für Solaranlagen in der Stadt deutlich höher ist als die von Windkraftanlagen im Umland. Seit 2016 haben wir keine regionalen Windkraftanlagen mehr installiert. Wir lebten mit der Hoffnung, dass es schon wieder besser wird. Das wurde eben nicht besser und wir widmen uns nun vorrangig der Sonnenenergie.
energate: Wie sieht ihr Plan konkret aus?
Hüls: Unser Appell an die Menschen in der Region Osnabrück: Gebt uns eure Dächer für Photovoltaik, wir pachten oder mieten sie. Der Eigentümer bzw. Nutzer der Immobilie wird so grünen Strom erhalten. Wir werden gerne die Installation und den Betrieb übernehmen, übernehmen das Einspeisemanagement. Allerdings wollen wir die komplette Fläche nutzen und nicht nur einen Teil davon nach dem maximalen Eigennutzungsprinzip. Das hat nämlich zu kuriosen Konstruktionen geführt mit viel zu kleinen PV-Anlagen. Diese Fläche dürfen wir nicht verschenken und wollen hier ansetzen. Wir haben uns zwar keine MW-Ziele gegeben, prüfen aber jede Option, die sich anbietet.
Im Übrigen ist nicht die fehlende Fläche unser größtes Problem. Das zentrale Thema ist momentan, dass uns auch die Handwerker für eine große "Solaroffensive" fehlen. Momentan sind die Fachbetriebe völlig ausgelastet und diesen Engpass müssen wir berücksichtigen. Deswegen wollen wir die Kampagnen mit PV-Angeboten gut dosiert anbieten, damit die Wartezeit der Kunden nicht gleich bei sechs Monaten liegt. Das wäre kontraproduktiv.
energate: Planen Sie auch Speicher als Ergänzung zu den PV-Aufdachanlagen anzubieten?
Hüls: Das Thema Speicher hat enorm an Bedeutung gewonnen, die Zeit dafür ist gekommen. Es ist auch gut möglich, dass wir mit einigen Speicherherstellern Kooperationen eingehen werden oder diese zumindest prüfen. Wir sind allerdings auch davon überzeugt, dass die Speicher nicht unbedingt nur dezentral eingesetzt werden müssen. Fehlende Flexibilität stellt ja momentan auch ein gravierendes Hemmnis beim Thema Mieterstrom dar. Wäre es vielleicht nicht zukünftig die bessere Möglichkeit, auch zentral zu speichern? Das ist eigentlich nur eine Frage der richtigen Regulatorik. Denn mit der Bilanzierung sind wir als Stadtwerk mittlerweile soweit, dass wir auch solche Dinge anbieten können. In weniger als zehn Jahren werden Photovoltaikanlagen und Speicher zum Standard gehören.
Die Fragen stellte Artjom Maksimenko, energate-Redaktion Essen.
energate: Herr Hüls, hat die die Coronapandemie den Digitalisierungsplänen der Branche einen Impuls gegeben?
Hüls: Als einen Impuls für die Digitalisierungsprozesse würde ich die Coronapandemie keineswegs bezeichnen. Denn einen solchen Impuls hat unsere Branche überhaupt nicht gebraucht. Vielmehr war und ist die Pandemie ein Prozessbeschleuniger, indem sie uns die Erkenntnis gebracht hat, dass wir in vielen Dingen schneller sein können als wir das zuvor vermutet hätten. Denn alles, was wir in gerade einmal zwei Monaten gelernt haben und auch lernen mussten, hätte üblicherweise mehr als ein Jahr oder gar länger gedauert. Unsere Branche hat sich flexibler zu bewegen und bestimmte Verfahrensvorgaben zu überdenken. Und das tut sie.
Aus meiner Sicht wird Digitalisierung im Übrigen oftmals sehr oberflächlich beschrieben, mit Beispielen wie dem "papierlosen Büro" oder einer Konferenz über ein Videochatprogramm. Die digitale Transformation ist aber viel mehr und vielschichtiger: Es geht insbesondere um die Automatisierung von Prozessen und Abläufen, die nicht unmittelbar sichtbar sind. Unter dem Strich hat uns Covid-19 gezeigt, dass wir wesentlich leistungsfähiger sind, als wir das geglaubt haben. Dass die Pandemie jedoch einen massiven negativen Einfluss auf unser operatives Geschäft haben wird, ist unbestritten. Allerdings wird sie - Stand jetzt - unsere Investitionsentscheidungen und Zeitpläne für neue Projekte nicht beeinflussen.
energate: Woher kommt der Optimismus?
Hüls: Das Jahr 2020 ist coronabedingt eine maximale Katastrophe, insbesondere in den Bereichen Freizeit und Mobilität. Hier sind wir pro Monat tief im sechsstelligen Minusbereich - diese zwei Bereiche wirtschaften gerade dramatisch unter ihrem üblichen Niveau. Ich wäre daher froh und erleichtert, wenn wir am Jahresende gesamtunternehmerisch eine schwarze Null schreiben können. Eine genauere Prognose lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht geben. Auch für 2021 ist es schwierig, Annahmen zu machen. Wir gehen davon aus, dass erst das Geschäftsjahr 2022 wieder ein "normales" Geschäftsjahr werden kann.
Trotz der aktuellen Herausforderungen sehe ich aber unser kommunales Unternehmen mit einer gewissen finanziellen Kraft klar in der Lage, auch in diesen Coronazeiten, unsere geplanten Projekte und Investitionen durchzusetzen. Wir sind breit und diversifiziert aufgestellt: Neben der Energieversorgung sind wir in der Mobilität, im Freizeitbereich, im Wohnungsbau und in der Infrastrukturentwicklung aktiv und daher ein ziemlich kompletter Player. Lediglich im Freizeitbereich ist es denkbar, dass wir die eine oder andere geplante Attraktivierungsmaßnahme zeitlich verschieben müssen. In den anderen Geschäftsfeldern, wie beispielsweise beim Breitbandausbau oder beim Wohnungsbau, wäre eine Verschiebung von Investitionen und Projekten äußerst kontraproduktiv.
energate: Neben der Freizeit zählen Sie Mobilität zu Problembereichen.
Hüls: Die Coronapandemie hat die Situation im öffentlichen Nahverkehr dramatisch erschwert. So sehr wir uns über einen Rettungsschirm für den ÖPNV auch freuen mögen: Verschiedene Szenarien sagen einen anhaltenden Fahrgastrückgang voraus, was wiederum die auch politisch gewollten Ziele des Mobilitätswandels torpedieren würde. Diesen vorhergesagten Negativtrend wollen wir in Osnabrück natürlich umkehren. Wir sind bundesweit Vorreiter und setzen schon seit Jahren auf Elektromobilität. In Osnabrück fahren bereits seit 2019 insgesamt 13 batterieelektrische Gelenkbusse. Bis Ende 2021 werden alle fünf Metrobuslinien komplett auf Elektrobetrieb umgestellt sein. Mit dann 62 Fahrzeugen werden wir über die bundesweit größte E-Gelenkbusflotte verfügen. Unsere sauberen und leisen Busse prägen schon jetzt das Stadtbild und wecken das Interesse von potenziellen Kunden, die sonst nicht oft Bus fahren.
energate: Welche Rolle messen Sie generell dem Thema Elektromobilität bei?
Hüls: Als Energie- und Mobilitätsexperten besetzen wir das Thema Elektromobilität natürlich von Beginn an. So gehören wir zu den Initiatoren der Elektromobilitätsplattform Smartlab. Diese kommunale Plattform verfügt über die meisten Ladepunkte in Deutschland. Nun gilt es, die operative Tätigkeit im Geschäftsfeld Elektromobilität weiter auszubauen - und die alltäglichen Herausforderungen anzugehen. Das umfasst die kompetente Beantwortung inklusive Serviceleistungen zu Fragen rund um die Themengebiete Steuern, Abrechnung der Ladevorgänge, Einspeisemanagement oder auch eine kompetente Beratung zum Umgang mit Dienstwagen. Die richtigen Antworten können wir Stadtwerke erst dann liefern, wenn wir selbst mit diesen täglichen Fragen konfrontiert werden. Der größte Treiber hierfür ist es, wenn wir es selber tun und erfahren. Inzwischen zählt unsere E-Autoflotte knapp 50 Fahrzeuge. Zudem kommen wir in unserem Stadtgebiet auf mittlerweile mehr als 100 öffentliche Ladepunkte. Wir haben uns entschieden, das öffentliche Laden nicht an den Straßen, sondern in den Parkhäusern auszubauen. Eine unserer Tochtergesellschaften betreibt Parkhäuser und somit auch die Ladesäulen dort. Den Strom dafür liefern die Stadtwerke. Aus meiner Sicht hat sich das Konzept gut bewährt.
energate: Neben der Elektromobilität widmen sich die Stadtwerke Osnabrück aktuell verstärkt dem Thema Photovoltaik. Was haben Sie hier vor?
Hüls: Die Branche weiß natürlich, dass das klassische Commodity-Geschäft nicht mehr so tragfähig sein wird und die Margen weiter dauerhaft erodieren. Wir müssen uns entsprechend umorientieren und haben uns entschlossen, das Thema "Nachhaltigkeit" als Geschäftsmodell dauerhaft zu installieren. Im Vordergrund unserer Strategie steht nunmehr nicht mehr ausschließlich die absolute Höhe der Rendite, sondern die wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit - und zwar genau in dieser Kombination. Der Schlüssel liegt dabei im perfekten Schnittstellenmanagement. Hier können wir bereits jetzt auf viele Skills zurückgreifen, was insbesondere beim Thema Direktvermarktung für ein mittelgroßes Stadtwerk recht ungewöhnlich ist.
Unser Portfolio ist nicht groß, doch wir haben im Gegensatz zu vielen anderen Versorgern daran festgehalten - und die praktischen Erfahrungen gesammelt, die nun im Schnittstellenmanagement überaus wertvoll sind und uns einen gewissen Vorsprung verschaffen. Ergebnis unserer überarbeiteten Strategie ist auch, dass wir ab dem kommenden Jahr all unseren Osnabrücker Privatkunden grünen Regionalstrom anbieten können. Im Portfolio haben wir dafür eine Vielzahl von eigenen und fremden Photovoltaik- und Windkraftanlagen gebündelt bzw. ausreichend Lieferverträge mit regionalen Wind- und PV-Anlagenbetreibern geschlossen, um die Mengen anbieten zu können. Und: Unsere Kunden müssen dafür keinen Aufschlag bezahlen.
energate: Verlieren Sie nicht Geld damit?
Hüls: Selbst wenn mit dem Konzept zunächst erhöhte Kosten einhergehen, sind wir davon überzeugt, dass sich unsere Strategie nachhaltig und wirtschaftlich trägt. Die Stadt Osnabrück ist bekanntlich ein Vorreiter in Sachen Photovoltaik, indem die Stadt das seinerzeit erste Solardachkataster veröffentlicht hat. Die neue, überarbeitete Version zeigt deutlich, dass - wenn wir sämtliche Dachflächen in Osnabrück mit Solaranlagen ausstatten - die erzeugte Strommenge ausreicht, um bilanziell den Bedarf von Haushalten, Gewerbe und sogar der Industrie in Osnabrück zu decken. Ich bin sicher, dass die Akzeptanz für Solaranlagen in der Stadt deutlich höher ist als die von Windkraftanlagen im Umland. Seit 2016 haben wir keine regionalen Windkraftanlagen mehr installiert. Wir lebten mit der Hoffnung, dass es schon wieder besser wird. Das wurde eben nicht besser und wir widmen uns nun vorrangig der Sonnenenergie.
energate: Wie sieht ihr Plan konkret aus?
Hüls: Unser Appell an die Menschen in der Region Osnabrück: Gebt uns eure Dächer für Photovoltaik, wir pachten oder mieten sie. Der Eigentümer bzw. Nutzer der Immobilie wird so grünen Strom erhalten. Wir werden gerne die Installation und den Betrieb übernehmen, übernehmen das Einspeisemanagement. Allerdings wollen wir die komplette Fläche nutzen und nicht nur einen Teil davon nach dem maximalen Eigennutzungsprinzip. Das hat nämlich zu kuriosen Konstruktionen geführt mit viel zu kleinen PV-Anlagen. Diese Fläche dürfen wir nicht verschenken und wollen hier ansetzen. Wir haben uns zwar keine MW-Ziele gegeben, prüfen aber jede Option, die sich anbietet.
Im Übrigen ist nicht die fehlende Fläche unser größtes Problem. Das zentrale Thema ist momentan, dass uns auch die Handwerker für eine große "Solaroffensive" fehlen. Momentan sind die Fachbetriebe völlig ausgelastet und diesen Engpass müssen wir berücksichtigen. Deswegen wollen wir die Kampagnen mit PV-Angeboten gut dosiert anbieten, damit die Wartezeit der Kunden nicht gleich bei sechs Monaten liegt. Das wäre kontraproduktiv.
energate: Planen Sie auch Speicher als Ergänzung zu den PV-Aufdachanlagen anzubieten?
Hüls: Das Thema Speicher hat enorm an Bedeutung gewonnen, die Zeit dafür ist gekommen. Es ist auch gut möglich, dass wir mit einigen Speicherherstellern Kooperationen eingehen werden oder diese zumindest prüfen. Wir sind allerdings auch davon überzeugt, dass die Speicher nicht unbedingt nur dezentral eingesetzt werden müssen. Fehlende Flexibilität stellt ja momentan auch ein gravierendes Hemmnis beim Thema Mieterstrom dar. Wäre es vielleicht nicht zukünftig die bessere Möglichkeit, auch zentral zu speichern? Das ist eigentlich nur eine Frage der richtigen Regulatorik. Denn mit der Bilanzierung sind wir als Stadtwerk mittlerweile soweit, dass wir auch solche Dinge anbieten können. In weniger als zehn Jahren werden Photovoltaikanlagen und Speicher zum Standard gehören.
Die Fragen stellte Artjom Maksimenko, energate-Redaktion Essen.
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