Berlin (energate) - Der Sprecher für Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Westphal, will bei Genehmigungsverfahren den Klimaschutz höher gewichten. "Das Recht Windenergie auszubauen, muss stärker werden", sagte er im Interview mit energate. Darin sprach er über seine Erwartungen an die EEG-Novelle, die Wasserstoffstrategie und die Debatte um die Fördersysteme für die Offshore-Windkraft.
Themenseiten
Auf folgenden Themenseiten finden Sie weitere Meldungen zum Thema.
EEG-Umlage
Wasserstoff
energate: Herr Westphal, die SPD-Bundestagsfraktion fordert eine kraftvolle EEG-Novelle. Welche Eckpunkte sind Ihnen wichtig?
Bernd Westphal: Wir brauchen in jedem Fall klare Ausbaupfade für die einzelnen erneuerbaren Energieträger, um das Ziel von 65 Prozent Erneuerbare am Stromverbrauch bis 2030 zu erreichen. Bei Solarenergie müssen wir etwa den atmenden Deckel anpassen.
energate: Zuletzt hakte es vor allem beim Ausbau der Windenergie.
Westphal: Ein wichtiges Element ist die vorgesehene finanzielle Beteiligung von Kommunen, um mehr Akzeptanz zu schaffen. Auch beim Repowering müssen wir was tun. Es leuchtet nicht ein, dass jedes Mal ein komplettes Verfahren gestartet werden muss, obwohl die Standorte schon einmal genehmigt wurden. Wesentlich ist, dass wir mehr Flächen für die Windenergie erschließen. Eine Möglichkeit ist, die Abstandsregeln zu Einrichtungen der Flugsicherung auf fünf Kilometer abzusenken.
energate: Ein Problem bleiben die Genehmigungsverfahren.
Westphal: Ja, wir müssen die Fristen und die Instanzenwege verkürzen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat das mit seinem Aktionsplan für die Windenergie im Herbst 2019 auch angekündigt, große Effekte hat das bisher nach meiner Ansicht nicht.
energate: Was schlagen Sie vor?
Westphal: Das Thema Klimaschutz muss bei Verfahren einfach höher gewichtet werden. Ich komme beruflich aus dem Bergbau, dort haben Sie es mit dem Bundesberggesetz zu tun. Darin ist der Rohstoffgewinnung ein klarer Vorrang eingeräumt. Dieses Prinzip müssen wir auf den Ausbau der erneuerbaren Energien übertragen. Das Recht Windenergie auszubauen, muss stärker werden.
energate: Klagen gegen Windenergieprojekte kommen häufig auch aus dem Naturschutz. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie hier?
Westphal: Der eine oder andere Windkraftgegner versteckt sich hinter Naturschutzargumenten. Wir müssen das einfach vernünftig handhabbar machen. Es gibt ja bereits eine TA Luft und eine TA Lärm, wir können also auch eine TA Artenschutz auflegen. Dass sich Windenergie und Naturschutz gut vereinbaren lassen, steht außer Frage.
energate: Ihr Koalitionspartner Union hat in Vergangenheit beim Thema Windenergie häufig gebremst, wie etwa die lange Diskussion um die Abstandsvorgaben gezeigt hat. Sehen Sie dort die Bereitschaft, vor der Bundestagswahl 2021 noch eine wirkungsvolle EEG-Novelle auf den Weg zu bringen?
Westphal: Wir sind für vier Jahre gewählt. Wir können jetzt nicht sagen, nun ist Wahlkampf. Es ist wichtig, die EEG-Novelle noch in diesem Jahr abzuschließen. Der Bundeswirtschaftsminister hat vor kurzem eingestanden, dass er in der Klimaschutzpolitik Fehler gemacht hat. Mit der EEG-Novelle hat er die Gelegenheit zu zeigen, dass er das ernst gemeint hat und daraus Konsequenzen zieht.
energate: Die Bundesregierung rechnet bis 2030 mit einem im Vergleich zu heute gleichbleibenden Stromverbrauch und kalkuliert auf dieser Grundlage die Ausbauziele für Erneuerbare. Ist diese Prognose angesichts der erwarteten Kopplung der Sektoren Strom, Wärme Mobilität realistisch? Braucht es nicht höhere Ausbaupfade bei den Erneuerbaren?
Westphal: Wir brauchen ein jährliches Monitoring. Dann sehen wir, ob es Bedarf gibt, nachzusteuern. Bei der Windenergie müssen wir nun erstmal die katastrophale Entwicklung der vergangenen Jahre wieder aufholen, um auf Zielkurs zu kommen. Wenn Anlagen nach dem Ende der Förderung aus dem Markt gehen, müssen wir noch mehr machen.
energate: Das heißt, Sie befürworten eine Anschlussregelung für ausgeförderte EEG-Anlagen?
Westphal: Wir brauchen dafür eine zeitnahe Lösung. Die vereinfachte Direktvermarktung für Solaranlagen ist eine Variante. Wir müssen dabei auch die Eigenerzeugung und Nutzung vor Ort stärker in den Blick nehmen, gekoppelt etwa mit der Elektromobilität. Auch Quartierslösungen sind eine Möglichkeit. Dafür muss aber der regulatorische Rahmen passen. Eine Verlängerung der EEG-Förderung sehe ich aber nicht, die Anlagen haben 20 Jahre gut verdient. Wir müssen aber sehen, dass die Betreiber den Strom weiter unkompliziert einspeisen und bilanzieren können. Da gibt es einfache Lösungen, wie etwa rückwärtslaufende Zähler. Die Gespräche über geeignete Maßnahmen laufen aktuell.
energate: Wenig erfolgreich war bisher die Mieterstromförderung. Was ist hier aus Ihrer Sicht zu tun?
Westphal: Herr Altmaier hat ein Mieterstromgesetz versprochen und nicht geliefert. Die SPD-Fraktion hat ein fertiges Gesetz vorgelegt. Jetzt muss der Wirtschaftsminister handeln. Wir müssen sicherlich über eine teilweise Befreiung des vor Ort erzeugten Stroms von der EEG-Umlage nachdenken. Die EU-Erneuerbarenrichtlinie bietet dazu Spielraum. Mir ist daran gelegen, dass Strom, der auf dem Dach erzeugt wird, möglichst vor Ort bleibt.
energate: Wann rechnen Sie mit einem Ende der EEG-Förderung?
Westphal: Das wird kommen. Bei den Freiflächenausschreibungen für die Solarenergie erleben wir Preise von um die 4 Cent/kWh. Das ist eine enorme Entwicklung, wenn Sie sehen, dass wir zu Beginn des EEG eine D-Mark für die Kilowattstunde Solarenergie gezahlt haben.
energate: Zum Thema Wasserstoff: Bis 2030 sollen in Deutschland 5.000 MW an Elektrolysekapazitäten entstehen. Ist das nicht ein bisschen zu wenig, um bei dem Thema international mitspielen zu können?
Westphal: Ich hätte mir ein mutigeres Ziel in der Wasserstoffstrategie gewünscht. Bis 2030 könnten wir 10.000 MW Elektrolyseleistung aufbauen. Nur wenn wir den Markthochlauf beim Wasserstoff schaffen, haben wie eine Chance, die industrielle Wertschöpfung im Land zu erhalten. Die Stahl- oder Chemiebranche ist darauf angewiesen. Klar ist auch, dass wir dafür mehr erneuerbare Energien zubauen müssen. Für den Übergang hätte ich mir daher auch den Einsatz von blauem Wasserstoff auf Basis von Erdgas vorstellen können.
energate: Ein Problem ist, dass die Produktion von grünem Wasserstoff teuer ist. Hilft die angekündigte Umlagebefreiung für Elektrolysestrom?
Westphal: Das ist ein Schritt. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass man sich in Europa auf einen Preis für Elektrolysestrom einigt. Dann gäbe es auch kein beifhilferechtliches Problem, wie bei einer nationalen Lösung. Deutschland könnte dafür während der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft einen Anstoß geben. Leider sehe ich im Bundeswirtschaftsministerium keinen Ansatz, innovativer zu denken.
energate: In die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft fällt auch die Veröffentlichung EU-Offshore-Windstrategie. Was erwarten Sie davon?
Westphal: Die Offshore-Windstrategie ist ein zentraler Baustein des Green Deals. Wir müssen die maritime Raumplanung so weiterentwickeln, dass wir in den europäischen Küstengewässern mehr Standorte für Offshore-Windparks bekommen und Regeln europäisch standardisieren.
energate: Der Bundestag debattiert aktuell über das Wind-auf-See-Gesetz. Teile der Offshore-Branche hadern mit der von der Regierung vorgesehen zweiten Gebotskomponente bei den Ausschreibungen. Sie fordern die Einführung von Differenzverträgen. Wie sehen Sie das?
Westphal: Aus meiner Sicht muss über die zweite Gebotskomponente diskutiert werden. Sie wird eher dazu führen, dass weniger Projekte realisiert werden. Das können wir uns nicht erlauben. Ich verstehe nicht, warum das Bundeswirtschaftsministerium nicht auf andere Märkte schaut und sich dem Dialog verweigert. In vielen EU-Staaten sind sogenannte Contracts für Difference ein etabliertes Instrument. Es wäre doch möglich, das Modell bei einem Teil der Ausschreibungen zu testen. Wir laufen Gefahr, dass sich die Investoren abwenden.
Das Interview führte Karsten Wiedemann, energate-Redaktion Berlin.