Essen (energate) - Digitalisierung, Cloud Computing und Big Data lassen den Bedarf nach mehr Rechenkapazität und damit den Stromverbrauch kontinuierlich steigen. Dabei wird der verbrauchte Strom praktisch vollständig in Wärme umgewandelt, doch bleibt die bislang weitgehend ungenutzt. Aber ist es gibt Alternativen. Der IT-Verband Bitkom bezifferte allein die in Deutschland benötigte Strommenge für Rechenzentren zuletzt auf circa 14 Mrd. kWh/Jahr - also mehr als die Millionenstadt Berlin verbraucht. Bis 2025 könnten nochmal 2,4 Mrd. kWh dazu kommen.
Der größer werdende Stromhunger einer stetig wachsenden Zahl von Servern in und außerhalb von Rechenzentren - Bitkom zufolge sind es bundesweit mindestens 2,3 Mio. Stück - ist dabei nur eine Seite der Entwicklung. Die andere ist, dass der verbrauchte Strom praktisch vollständig in Wärme umgewandelt und danach bislang weitgehend ungenutzt an die Umgebung abgegeben werde, so der Verband. Zwar lasse sich schwer beziffern, wie viel davon letztlich ökonomisch verwertbar ist. Doch das Potenzial sei "sehr groß".
Rechenkapazität ist die Elektrizität des 21. Jahrhunderts
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"Rein technisch könnte sicher rund die Hälfte dieser gigantischen Energiemenge für eine Weiternutzung zur Verfügung gestellt werden", betonte Roman Bansen, Referent IT-Infrastrukturen bei Bitkom, auf Anfrage der Redaktion. Dass die Abwärme nicht einfach in die Luft geblasen, sondern wiederverwendet wird, hängt von entsprechenden Abnehmern in der Umgebung oder kompatiblen Wärmenetzen ab. Auch der Gesetzgeber ist hier in der Pflicht. Schließlich will Bundesregierung verstärkt Abwärme aus Rechenzentren nutzbar zu machen. So steht es im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz.
Erst kürzlich forderte Bitkom gemeinsam mit dem Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK und der Sustainable Digital Infrastructure Alliance (SDIA), den Rahmen anzupassen, um die Verwendung von Server-Wärme als klimaneutrale und nachhaltige Energiequelle zu forcieren. In einer aktuellen Studie kommt die SDIA zu dem Schluss, dass "Rechenkapazität im 21. Jahrhundert die Position einnimmt, die Elektrizität im 20. Jahrhundert hatte."
"99 Prozent aller Server noch luftgeführt gekühlt"
Die Dresdener Cloud & Heat hat das Potenzial der Server-Abwärme bereits vor Jahren erkannt und ist heute führend in dem Bereich. Das Unternehmen bietet Cloud Computing und baut beziehungsweise betreibt hocheffiziente Rechenzentren, die zudem auch energiesparend sind. Dazu setzt das Team um Gründer und CTO Jens Struckmeier auf Wasser statt auf Luft und die Wiederverwendung entstehender Abwärme, etwa zum Heizen. Die Lösung läßt sich auch nachträglich in bestehende Strukturen einbauen, erläuterte Struckmeier im Gespräch mit energate.
Noch werden weltweit 99 Prozent aller Server luftgeführt, also etwa durch Lüfter, gekühlt. Das hat nicht nur Energieverluste zur Folge, es zieht weiteren Stromverbrauch nach sich, Stichwort Klimaanlage. Denn haben Ventilatoren die Wärme erst mal aus dem Serverschrank gepustet, muss die noch aus dem Raum beziehungsweise Gebäude. Wasser sei dagegen ein hervorragendes Medium, so Struckmeier weiter. Cloud & Heat führt es in einem geschlossenen System bis zur CPU, also den Prozessor, wo die meiste Wärme entsteht. Dabei erhitze sich das Wasser je nach Server und Anwendungsfall meist auf 50 bis 60 Grad. Die Lösung selbst sei darüber hinaus wartungsarm. In der Regel reiche eine Kontrolle pro Jahr aus.
Umwandlungsquote von 80 Prozent
Aktuell bewege Cloud & Heat in seinem Portfolio insgesamt 28 Mio. kWh Abwärme. Das Unternehmen erreicht in seinen Rechenzentren nach Angaben von Struckmeier eine hohe Quote: Circa 80 Prozent des eingesetzten Stroms werden im Schnitt wiederverwendet. Zum Einsatz komme zudem ausnahmslos zertifizierter Ökostrom. Beim jüngsten Projekt für die Telekom (energate berichtete) liege die nutzbare Abwärme bei rund 49.000 kWh. Bei einem großen Projekt in Frankfurt am Main, im Eurotheum, seien es 1,75 Mio. kWh.
Auch Struckmeier rechnet fest damit, dass sich der Trend hin zu mehr Rechenkapazität und damit höherem Strombedarf noch verstärken wird. Bis 2030 könne der Anteil, den Server am globalen Stromverbrauch haben, von heute circa zwei bis drei Prozent auf dann zehn Prozent steigen, schätzt er. Entsprechend wächst das Potenzial nutzbarer Wärme. /dz