Den Haag (energate) - Die niederländische Regierung prüft den Bau neuer Atomkraftwerke. Nur wenige Tage, nachdem die Regierungspartei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte einen entsprechenden Antrag ins Parlament eingebracht hat, präsentierte das Wirtschaftsministerium eine Studie zu den Vorteilen der Kernenergienutzung. Die Untersuchung der auf Nukleartechnologie spezialisierten Beratungsgesellschaft Enco sieht in der Atomkraft eine ernst zu nehmende Option neben Wind- und Solarenergie. Die Kosten seien nämlich vergleichbar, teilte das VVD-geführte Wirtschaftsministerium in Den Haag mit.
Nicht teurer als Wind und Sonne
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Dass die Kernenergie nicht teurer ist als Wind und Sonne, sei die zentrale Erkenntnis der Studie, heißt es weiter. Das gelte zumindest, wenn alle anfallenden Kosten in die Betrachtung einbezogen werden. So würden in der Regel die zusätzlichen Kosten der erneuerbaren Energien wie Netzanschluss, Netzregelung und Netzausbau außen vor gelassen und über den Netzbetreiber auf die Verbraucher abgewälzt. Um CO2 einzusparen, sei die Laufzeitverlängerung für bestehende Atomkraftwerke die wirtschaftlichste Option. Für den Neubau von Atommeilern in den Niederlanden sei es mit Blick auf lange Bauzeiten wichtig, Anschluss an die bestehende Serienproduktion im Ausland zu finden, empfiehlt Enco.
Die Enco-Studie basiert auf wissenschaftlichen Studien und Berichten internationaler Organisationen. Sie versucht einen Überblick zu geben über den Anteil der Kernenergie am Energiemix in Europa und weltweit. Sie betont auch, dass der Weltklimarat der Vereinten Nationen und die Internationale Energieagentur (IEA) Atomkraft als notwendig im Kampf gegen den Klimawandel einstufen.
In den Niederlanden ist noch eins von ursprünglich zwei Atomkraftwerken am Netz. Die 515-MW-Anlage aus dem Jahr 1973 befindet sich in Borssele und gehört Delta und RWE. Die Laufzeit des Reaktorblocks wurde vor einigen Jahren bis Ende 2033 verlängert (energate berichtete). Aus Sicht der Betreiber wäre aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus eine Stromproduktion problemlos möglich.
Regierung soll Marktkonsultation starten
Im niederländischen Parlament hat in diesen Tagen ein Antrag der VVD für eine Marktuntersuchung eine Mehrheit gefunden. Die Analyse soll klären, unter welchen Bedingungen Unternehmen bereit wären, in den Bau neuer Kernkraftwerke zu investieren. Die Regierung soll dabei auch der Frage staatlicher Subventionen nachgehen und mögliche Standorte identifizieren.
Aus Sicht der VVD ist die Kernenergienutzung in den Niederlanden "unverzichtbar" im Kampf gegen den Klimawandel, heißt es auf der Website der Partei. Mit Wind- und Sonnenenergie allein könne sich das Land nicht retten, da beide einen großen Flächenbedarf haben. Aus der Nutzung von Öl und Gas steigen die Niederlande perspektivisch aus und an der Biomassenutzung mehre sich die Kritik. Der Partei gehe es mit ihrem Vorstoß um eine langfristige Perspektive mit Blick auf das Jahr 2050. Aufgrund der langen Planungs- und Bauzeiten müsse der Bau neuer Anlagen jetzt anlaufen. Zugleich bleibe viel Zeit, um die Atomenergie von ihrem schlechten Image zu befreien. Der VVD-Fraktionsvorsitzende Klaas Dijkhoff verwies darauf, dass mit dem Ausbau der Kernenergie die Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland und dem Nahen Osten verringert werden kann.
Drei bis zehn neue Meiler möglich
Im Interview mit der Tageszeitung "AD" hält der VVD-Abgeordnete Mark Harbers den Bau von drei bis zehn neuen Atommeilern für möglich. Sie könnten an den Kraftwerksstandorten Maasvlakte und Eemshaven sowie neben dem bestehenden Kernkraftwerk in Borssele entstehen. Aus seiner Sicht wäre die Inbetriebnahme des ersten Neubaus schon in den 2030er Jahren möglich. /tc