Essen (energate) - Für die Marktraumumstellung von L- auf H-Gas war 2020 durch Corona kein einfaches Jahr. Dennoch ist es den beteiligten Netzbetreibern gelungen, fast alle geplanten Maßnahmen umzusetzen. Über sein Fazit für dieses Jahr sprach energate mit Frank Harlacher, Projektleiter L-/H-Gas-Umstellung beim Fernleitungsnetzbetreiber OGE.
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Corona
energate: Herr Harlacher, bei der Marktraumumstellung ist es zu Beginn der Coronapandemie zu zeitlichen Verzögerungen gekommen. Wie fällt heute Ihr Fazit zu den Umstellungsmaßnahmen 2020 aus?
Harlacher: Die starke Zunahme der Infektionen im März hat innerhalb kürzester Zeit alle Beteiligten vor große Herausforderungen gestellt. Man muss verstehen, dass die Umstellungen über mehrere Jahre intensiv vorbereitet und geplant werden. Der Eintritt einer neuartigen Pandemie kurz vor einer Umstellung ist dann eine Extremsituation für alle Beteiligten. Dazu kommt, dass im März viele - für uns heute alltägliche - Schutzmaßnahmen noch nicht definiert oder wegen nicht verfügbarer Schutzausrüstung nicht ohne Weiteres umsetzbar waren. Es war unklar, ob auch in Deutschland bestimmte Gebiete abgeriegelt werden könnten. Der Einsatz von Dienstleistern aus dem Ausland war plötzlich unsicher und so weiter. Diese Liste von Herausforderungen ließe sich beliebig fortsetzen.
Das alles hat vollkommen zu Recht bei den Beteiligten zu großen Bedenken geführt, ob die Umstellung wie geplant umgesetzt werden könnte. Hinzu kommt, dass sich ein einmal begonnener Umstellungsprozess - sowohl von den Gasgeräten als auch vom Gasnetz her - nicht ohne Weiteres stoppen lässt. Bezogen auf das Netz müssen häufig bestimmte Schaltzustände vor dem Winter erreicht werden. Nach einem Teil der Umstellung einfach aufzuhören, ist daher nicht immer möglich.
Wenn wir heute auf die damaligen, mitunter auch sehr emotional geführten Diskussionen zurückblicken, können wir und alle Beteiligten mehr als zufrieden sein: Durch ein sukzessives und vorsichtiges "Fahren auf Sicht" wurde die Umstellung schrittweise fortgesetzt. OGE hat so alle für 2020 geplanten Umstellungsmaßnahmen abgeschlossen. Deutschlandweit konnten wir rund 99 Prozent der für 2020 geplanten Geräte in diesem Jahr umstellen. Im März dieses Jahres hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet, dass das Ergebnis so positiv ausfällt. Ermöglicht haben das unsere Kunden: Verteilnetzbetreiber, die sich innerhalb kürzester Zeit auf die veränderten Umstände eingestellt haben. Bei unseren Kunden und den Dienstleistern, den Monteuren, die die Geräteanpassung an vorderster Front unter schwierigen Bedingungen erledigt haben, sowie allen am Prozess beteiligten können wir uns für das Erreichte nur bedanken.
energate: In welchen Regionen waren Sie dieses Jahr tätig und wie ist die Zusammenarbeit mit den Verteilnetzbetreibern und Dienstleistern gelaufen?
Harlacher: Bei OGE lag der Umstellungsschwerpunkt dieses Jahr im Bereich Mittelhessen. Dort haben wir auch größere Städte wie Gießen oder Wetzlar auf H-Gas umgestellt. Weitere Gebiete, die im Netz der OGE umgestellt wurden, liegen bei Bonn, im Großraum Bergisch-Gladbach und an der Grenze zu Niedersachsen im Teutoburger Wald.
In diesem Jahr gab es aufgrund der Corona-Situation sicherlich die eine oder andere heikle Telefonkonferenz mit den Beteiligten. Man muss dabei auch beachten, dass die gesamte Marktraumumstellung ein kompliziertes vertragliches Konstrukt verschiedener Akteure ist. Wenn man vom vereinbarten Weg abweicht, ergibt sich neben einer technischen Sicht auch eine juristische und wirtschaftliche Dimension. Das macht die Dinge nicht einfacher. Im Ergebnis haben wir aber immer einen absolut konstruktiven Weg gefunden, mit den Dingen umzugehen und nach vorne zu blicken.
energate: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei den weiteren Maßnahmen und gibt es vor dem Hintergrund, dass die Niederlande die L-Gas-Förderung möglichst schnell beenden wollen, noch Potenzial den Prozess zu beschleunigen?
Harlacher: Auf FNB-Ebene sind die größten Herausforderungen die noch in Betrieb zu nehmenden Bauprojekte. Allein bei OGE gibt es rund 60 Baumaßnahmen für die Umstellung. Dazu gehören große Leitungsprojekte, zum Beispiel Zeelink, aber auch GDRM-Anlagen. Die zeitgerechte Fertigstellung ist entscheidend für die Einhaltung der Umstellungsplanung. Gerade während der Coronapandemie wurde in diesen Projekten großartige Arbeit geleistet.
Die Dienstleister hingegen müssen ab 2021 ein sehr hohes Mengengerüst mit über 550.000 Geräten pro Jahr bewerkstelligen. Hierfür kann man das Jahr 2020 - mit allen Schwierigkeiten - auch als einen erfolgreich absolvierten Testlauf sehen. Immerhin wurden rund 400.000 Geräte umgestellt und wegen Corona waren diese nicht so gleichmäßig über das Jahr verteilt wie ursprünglich geplant. Dazu wurde vielerorts auch die Erhebung jener Geräte vorgenommen, die nächstes Jahr umgestellt werden. Der reibungslose Ablauf stimmt uns zuversichtlich, dass auch die Gerätezahlen der kommenden Jahre umsetzbar sind.
Das ist auch erforderlich, um den Niederländern den geplanten Ausstieg aus der Groningen-Produktion zu ermöglichen. Potenzial, die Umstellung in Deutschland noch weiter zu beschleunigen gibt es nicht mehr: Durch vorgezogene Umstellungen ist das in den vergangenen Jahren bereits erfolgt. Die resultierende Planung ist sehr ambitioniert, enthält keine Puffer und ist damit auch ohne Corona eine enorme Herausforderung.
Die Fragen stellte Thorsten Czechanowsky, energate-Redaktion Essen.