Bonn (energate) - Lange schwelte der Konflikt innerhalb der Bundesregierung um die freiwerdenden Funkfrequenzen im 450-Megahertz-Bereich. Während Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sie für die Energiewende sichern will, forderte Innenminister Horst Seehofer (CSU) sie für die Sicherheitskräfte ein. Nun liegt eine Entscheidung der Bundesnetzagentur vor. Demnach darf vor allem die Energiewirtschaft die begehrten Frequenzen nutzen. Polizei und andere Sicherheitskräfte sollen nachrangig zugreifen können.
Die Frequenznutzungsrechte im Bereich 450 MHz laufen zum 31. Dezember 2020 aus und werden dann vorrangig für Anwendungen kritischer Infrastrukturen bereitgestellt, heißt es in der Entscheidung der Bundesnetzagentur, die energate vorliegt. Die Bedarfe von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben würden soweit möglich berücksichtigt. Dies gilt auch für die Bundeswehr, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte ebenfalls Bedarf angemeldet.
Mit der Bereitstellung der Frequenzen können die Weichen für die Digitalisierung der Energiewende gestellt werden, heißt es zur Begründung. Die Frequenzen eigneten sich besonders gut, um damit eine flächendeckende und sichere Funknetzinfrastruktur in den Bereichen Strom, Gas, (Ab-)Wasser und Fernwärme aufzubauen. Den Betreibern stünden zudem bisher keine Alternativen zur Verfügung.
"Gute Nachricht für die Energiewende"
"Die jetzige Lösung ist ein gelungener Kompromiss. Die Energiewirtschaft kann mit den 450-MHz-Frequenzen ihr Netz so aufbauen, wie sie es braucht", sagte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), gegenüber energate. Die kritische Infrastruktur der Energiewirtschaft sei somit prioritär abgesichert. Gleichzeitig stünden die nicht genutzten Frequenzen nachrangig den Sicherheitsbehörden zur Verfügung. Auch Ingrid Nestle, Sprecherin für Energiewirtschaft der Grünen, begrüßte die Entscheidung als gute Nachricht für die Energiewende.
BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae bezeichnete in einer gemeinsamen Erklärung mit ihrem Kollegen Ingbert Liebing vom VKU den Kompromiss als eine Richtungsentscheidung. Für die zunehmend dezentrale und digital gesteuerte Strom- und Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien sowie Wasserversorgung brauche die Energie- und Wasserwirtschaft die Frequenzen. Davon profitiere der gesamte deutsche Wirtschaftsstandort. Die Energie- und Wasserwirtschaft stehe bereit, das Funknetz aufzubauen und zu betreiben und warte nun auf die Ausschreibungsbedingungen, hieß es von der gemeinsamen Brancheninitiative 450-MHz-Funknetz.
Auch als Voraussetzung für die Mobilitätswende werden die Frequenzen, mit denen die Deutsche Bundespost früher ihr analoges Mobilfunknetz betrieb, gehandelt (
energate berichtete). Das Wirtschaftsministerium hatte zudem auf Anwendungen nach dem Messstellenbetriebsgesetz verwiesen, die nicht zur kritischen Infrastruktur zählen: Intelligente Stromnetze seien Grundlage für die Energiewende. Das Smart Grid wiederum benötigt intelligente Messsysteme. Die Smart Meter profitieren beim Datenaustausch von einem sicheren Frequenzbereich mit hoher Reichweite, der Wände und Gemäuer durchdringen kann.
Krisenszenarien geben Ausschlag
Die Bedürfnisse der Bundeswehr und der Sicherheitsbehörden hat die Bundesnetzagentur nicht vollständig aus den Augen verloren. So habe sie für letztere bereits Frequenznutzungsrechte im Bereich 700 MHz zur Verfügung gestellt. Und auch die Nutzung der 450-MHz-Frequenz durch die Behörden ist durch die Entscheidung nicht ausgeschlossen. Anwendungen kritischer Infrastrukturen haben laut Bundesnetzagentur aber Priorität: Ihre Funktionsfähigkeit sei essenzieller Teil des Gemeinwesens.
Eine Beeinträchtigung oder ein Ausfall beispielsweise in der Wasser- und Energieversorgung könne das gesellschaftliche Leben in Deutschland zum Erliegen bringen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden und sogar eine Gefahr für Leib und Leben darstellen. Den Vorschlag hat die Bundesnetzagentur nun an den Beirat verschickt. Dieser muss zustimmen - hatte sich in der Vergangenheit aber schon deutlich hinter eine Vergabe an die Energiewirtschaft gestellt. Letztlich entscheidet die Bundesregierung. Auch hier ist Zustimmung zu erwarten. /ck