Berlin (energate) - Wasserstofftechnologien sollten allen Sektoren offenstehen. Das Bild des teuren Champagners, der wegen seiner Knappheit rationiert und verteilt werden muss, werde dem Wasserstoff nicht gerecht. Dies war der Tenor der diesjährigen Jahreskonferenz der Power-to-X-Allianz, die coronabedingt nur online stattfand. "Es wird Zeit, dass die Flasche entkorkt und ausgetrunken wird", sagte Kurt-Christoph von Knobelsdorf, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff (NOW).
Die Bundesregierung präferiert in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie vor allem die Industrie und den Verkehrssektor als erste Abnehmer für Wasserstoff. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), sieht dies anders. Für ihn steht der Wärmemarkt an erster Stelle. "Denn hier ist die Wasserstoffnutzung über einfache Geräteadaption möglich", so Linke. Der DVGW arbeite derzeit "mit Nachdruck" an den entsprechenden technischen Standards, die im nächsten Jahr veröffentlicht werden sollen, wie Linke ankündigte. Bei Produktionsprozessen der Industrie etwa seien die notwendigen Umrüstungen sehr viel aufwendiger.
"20 bis 30 Prozent Beimischung kein Problem"
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Auch Eva Hennig, Leiterin Public Affairs Europa bei der Thüga, plädiert für einen Wasserstoffeinsatz im Wärmemarkt. "Wir müssen für die Wärmewende alles ins Rennen schicken, was wir haben", so Hennig. Denn ohne Wasserstoff seien die Klimaziele im Gebäudesektor nicht zu erreichen, weil es allein mit Sanierung und Efficiency first an der notwendigen Geschwindigkeit fehle. Die Dekarbonisierung sei im Wärmesektor mindestens genauso schwierig wie im Bereich Verkehr oder der Industrie, meint Hennig. "Denn wir haben hier wahnsinnig viele unterschiedliche Player." Über die Beimischung von Wasserstoff im Verteilnetz ließen sich aber gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn an diesem seien nicht nur private Haushalte, sondern eben auch Gewerbe und Industrie angeschlossen. Zudem ließen sich auch die KWK damit "begrünen", so Hennig weiter. Auch ließe sich zeitnah starten und nicht erst, wenn der "Wasserstoff-Backbone" fertig ist. "Aktuell ist eine 20- bis 30-prozentige Wasserstoffbeimischung technisch kein Problem", so Hennig.
Heimische Wasserstofferzeugung sollte dezentral stattfinden
Auch Ove Petersen, CEO des Projektierers GP Joule, spricht sich dafür aus, den Fokus stärker auf die Verteilnetze zu legen. Denn auf dieser Ebene sei auch die Überlast der Erneuerbarenerzeugung zu finden. Deswegen sollte seiner Meinung nach auch dort eine Elektrolyse stattfinden - also dezentral und vor Ort. "Sonst werden wir wahnsinnig langsam und auch ineffizient", meint Petersen. Eine dezentrale Nutzung hat für ihn unter anderem den Vorteil, dass sich auch die Abwärme in Nahwärmenetzen nutzen lässt. Deswegen spricht für ihn auch mehr für eine heimische Erzeugung statt für Importe. Zumal die Kosten für einen "Transport aus Übersee" wegfielen. Nur so könnte der "Champagner zum "trinkbaren Tafelwein" werden, wie Petersen sagt. "Wir produzieren den Wasserstoff jetzt schon für etwa acht Euro pro Kilogramm", erklärte der GP-Joule-Chef. Wenn perspektivisch die EEG-Umlage entfiele, "liegen wir vielleicht noch bei fünf oder sechs Euro".
GP Joule hat unter anderem mit dem Bremerhavener Start-up Green Fuels eine Wasserstoffallianz ins Leben gerufen. Zusammen wollen die beiden Firmen regionale Lösungen für die Mobilität mit grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien entwickeln und umsetzen (energate berichtete). Vorbild dabei ist das Modellprojekt "eFarm", das das Unternehmen aus Reußenköge in Nordfriesland umgesetzt hat (energate berichtete). /ml