Essen (energate) - Die energate-Redaktion nutzt die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr, um auf die energiewirtschaftlichen Höhepunkte des Jahres 2020 zurückzublicken. Ganz vorne mit dabei ist sicherlich das Thema Wasserstoff, das sich im Laufe des vergangenen Jahres zum regelrechten Hype entwickelt hat. So hatte nicht nur die Energiebranche mit Spannung auf die erste Nationale Wasserstoffstrategie gewartet. Nach langem Hin und Her wurde sie dann im Juni endlich vorgestellt (
energate berichtete). Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete sie als Quantensprung und sprach von der "größten Innovation der Energiewende seit dem EEG".
Verteilnetzbetreiber sehen sich vergessen
So soll in den kommenden Jahren in Deutschland ein umfassendes Wasserstoff-Ökosystem aus Erzeugung, Transport und Speicherung entstehen, die der Bund mit rund 9 Mrd. Euro an Fördergeldern unterstützt. Aus der Branche gab es für die Strategie nicht nur Applaus, zu viele Fragen blieben für sie offen. Diskutiert wurde etwa die Fokussierung der künftigen Wasserstoffanwendungen auf den Industrie- und Verkehrssektor. Insbesondere die Verteilnetzbetreiber sahen sich und den von ihnen bedienten Wärmemarkt vergessen (
energate berichtete). Auch die Beschränkung auf den teureren grünen Wasserstoff sehen viele Branchenvertreter kritisch. Schnell hatte der Wasserstoff das Bild eines "kostbaren Champagners" inne, das nur einem kleinen Teil vorbehalten sein wird. Die H2-Branche ist nun bemüht, dieses Image abzuschütteln (
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Erste Förderbescheide für internationale Projekte vergeben
Beim Thema Erzeugung sieht die Strategie inländische Produktionskapazitäten von rund 10.000 MW bis 2040 vor. Dass die eigenen Kapazitäten den künftigen Bedarf nicht werden decken können, darin besteht größtenteils Einigkeit. Die Bundesregierung sieht deswegen Energiepartnerschaften mit Ländern mit günstigen Produktionsbedingungen für erneuerbaren Strom als in Deutschland vor. Dazu sind bereits die ersten Schritte getan, gegen Ende des Jahres hat der Bund die ersten Förderbescheide verteilt, das Geld fließt in Richtung Chile (
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Transportkosten können zum Problem werden
Zur Herausforderung dabei könnten allerdings die hohen Transportkosten werden, dies war unter anderem auch Tenor bei einem energate-Webtalk im September (
energate berichtete). "Der Transport ist eine teure Angelegenheit", sagte etwa Andreas Schierenbeck, CEO von Uniper, bei dem digitalen Event. Zwar lasse sich Wasserstoff zum Teil über Gaspipelines wie auch Nord Stream 2 transportieren. Für den Bezug aus künftig vermutlich wichtigen Exportländern wie Australien oder Chile sei aber der Schiffstransport unumgänglich, wozu der Wasserstoff in Ammoniak, Methanol oder synthetische Kraftstoffe umgewandelt werden muss.
Vorhandene Erdgas-Infrastruktur für Wasserstofftransport nutzen
Auch deswegen mehren sich die Stimmen, die fordern, dass Deutschland auf der Suche nach geeigneten Lieferländern für Wasserstoff nach Europa schauen sollte (
energate berichtete). Großer Vorteil sei die vorhandene Erdgas-Infrastruktur. Zuletzt hatte sich etwa die Ukraine als H2-Lieferant in Stellung gebracht (
energate berichtete). Auch die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber setzen sich dafür ein, bestehende Gasleitungen für den Wasserstofftransport umzuwidmen. Schon frühzeitig - im Januar 2020 - waren sie mit einer eigenen Version für einen deutschen Wasserstoffring an die Öffentlichkeit gegangen (
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Damit diese Version Wirklichkeit werden kann, fehlt es allerdings noch an der entsprechenden Regulierung der Wasserstoffleitungen. Ein Aspekt, der die Branche auch in 2021 noch begleiten wird, denn dann sollen erste Ergebnisse im Gesetzesblatt stehen. Anfang Dezember hatte das Bundeswirtschaftsministerium bereits entsprechende Eckpunkte einer Übergangsregelung für Wasserstoffnetze vorgestellt. Dabei wurde vor allem klar, dass die Vorstellungen des Ministeriums und der Netzbetreiber stark auseinandergehen (
energate berichtete). Denn die Eckpunkte sehen eben keine schlichte Einbeziehung der Wasserstoffnetze in die bestehende Regulierung der Erdgasnetze vor, wie es etwa der FNB Gas und weitere Verbände gerne gehabt hätten (
energate berichtete). Stattdessen sieht das Wirtschaftsministerium eine "Opt-in-Regelung vor", bei der die Betreiber von Wasserstoffleitungen entscheiden, ob sie sich einer Netzregulierung unterwerfen oder nicht. Zudem sehen diese eine buchhalterische Trennung der Netze ebenso wie getrennte Entgelte vor.
Die weitere Entwicklung wird in der Branche mit Spannung erwartet. So wird eine der zentralen Fragen für 2021, welche von den vielen in diesem Jahr angekündigten Wasserstoff-Projekten tatsächlich in die Umsetzung gehen werden. /ml
Das ganze Energiejahr 2020 auf einen Blick: Hier geht’s zum energate-Jahresrückblick.