Dresden (energate) - Zum 1. Januar 2021 startete Sachsen Energie als Zusammenschluss der beiden Dresdner Energieunternehmen Enso und Drewag. Die Perspektiven für das Unternehmen beleuchtet Vorstandsvorsitzender Frank Brinkmann im Interview mit energate.
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Fusionen und Zusammenschlüsse
energate: Herr Brinkmann, war die Fusion wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für Sie?
Brinkmann: Es war auf jeden Fall ein Highlight im Ausnahmejahr. Allerdings haben wir auf dieses Geschenk gemeinsam lange hingearbeitet. Die Einigung hat uns mehr Anstrengungen und Überzeugungsarbeit gekostet als wir anfänglich dachten.
energate: Was sind Ihrer Einschätzung nach die wichtigsten Möglichkeiten, die die Fusion eröffnet?
Brinkmann: Ziel ist es im Wesentlichen, die Ertragskraft zu sichern, bei gleichzeitig sich erschwerenden Rahmenbedingungen, etwa den Eigenkapitalkürzungen im Netzbereich. Wir müssen Skaleneffekte heben und uns ökonomisch stabilisieren. Dies ist auch im Hinblick auf die Fusion von RWE und Eon bedeutend - denn nichts anderes war es bezogen auf die einzelnen Wertschöpfungsstufen, weshalb wir auch zur Klagegemeinschaft gehören. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die gestiegene strategische Schlagkraft durch unsere Fusion zur Sachsen Energie.
energate: Was bedeutet die Fusion für die Netzaktivitäten?
Brinkmann: Die Netztransposition erfolgt rückwirkend zum 1. Januar 2020. Wir haben zwar weiterhin zwei Netzgesellschaften, ihr Zuständigkeitsbereich hat sich aber bereits jetzt grundlegend gewandelt. Früher hatten wir die Drewag Netz und die Enso Netz. Die beiden neuen Netzgesellschaften heißen Sachsen Netze. Darunter vereint sind zwei Netzgesellschaften, deren Zuständigkeiten sich nicht mehr gebietsbezogen nach Dresden und Ostsachsen, sondern spannungs- beziehungsweise druckbezogen aufteilen.
energate: Was ist außer den Netzen schon verzahnt?
Brinkmann: Wichtig vorweg ist: Drewag und Enso bleiben als regionsidentifizierende Vertriebsmarken erhalten. Dem übergeordnet ist unsere neue Dachmarke Sachsen Energie, welche aus der Verbindung von Drewag und Enso hervorgeht. Wenn Sie zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Eigentümern haben, dann haben Sie ein Limit, was Sie verzahnen können. Wir haben im Wesentlichen begonnen, auch mit meiner Person, dass die Vorstände in Brückenfunktion besetzt wurden. Es folgten die Prokuristen und die Abteilungsleitungen. Damit gibt es bereits jetzt eine Managementidentität. Was wir noch nicht vermischen konnten, waren die Vermögens- und Finanzsphäre, auch nicht das energiewirtschaftliche Portfoliomanagement und die IT. Damit stehen noch viele Themen aus, die wir jetzt angehen werden.
energate: Was werden Sie sich dabei als erstes vornehmen?
Brinkmann: Wir starten jetzt ein Post-Merger-Integrationsprojekt und werden damit die Synergieeffekte in einem Zeitraum von drei Jahren systematisch heben. Enso und Drewag haben unterschiedliche Prozesse - etwa bei der Störungsbehebung oder im Vertrieb. Das werden wir vereinheitlichen, indem wir für jeden Bereich einen neuen Prozess nach Maßgabe von Best-Practice aufsetzen. Daraus ergeben sich große Chancen. Dabei werden wir uns die Bereiche parallel anschauen, also nicht mit nur einem einzelnen starten. Wir verzahnen dies mit der Einführung der SAP-Plattform S/4 Hana, sodass wir ein integriertes Projekt haben.
energate: Wieviel Personal werden Sie abbauen?
Brinkmann: Wir bauen 100 Stellen ab. Das ist nicht das Ende der Fahnenstange für unsere Prozessoptimierung, aber das Ende der Fahnenstange, was den Personalabbau in dieser Phase anbelangt. Wir haben gleichzeitig Wachstum in neuen Geschäftsfeldern. Daher werden wir Mitarbeiter zum Teil in anderen Funktionen einsetzen und führen in neuen Unternehmensbereichen auch Mitarbeiter zusammen. Der Breitband- und Glasfaserbereich wächst deutlich. Neue Aufgaben gibt es auch im Wasserbereich sowie in der Erzeugung. Dort gehen wir gewissermaßen in Lücken hinein, die andere lassen.
energate: Wo setzen Sie bei der Erzeugung an?
Brinkmann: Die sächsische Landesregierung arbeitet derzeit an einem umfangreichen Energie- und Klimaprogramm zum Ausbau der Erneuerbaren. Bei dessen Umsetzung wollen wir ein wichtiger Player sein, speziell durch den Bau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Das heißt, wir werden im Erneuerbarenbereich deutlich wachsen. Gleichzeitig fällt in Sachsen mittelfristig gesicherte Leistung aus der Braunkohle weg. Dort setzen wir auf dezentrale KWK-Anlagen in unterschiedlichen Größenordnungen. Größere Anlagen bauen wir in Dresden mit 90 MW Strom und 84 MW Wärme und in Bautzen mit 6,72 MW Strom und 7,2 MW Wärme. Da muss allerdings gesetzgeberisch auch noch ein bisschen was passieren, zum Beispiel durch die Ausweisung von mehr Fläche für Wind- und Solarprojekte. Denn wir können nicht nur gesicherte Leistung abschalten, ohne gleichzeitig für neue zu sorgen.
energate: Gehen Sie beim Ausbau des Glasfaser- und Breitbandnetzes auch in die Fläche?
Brinkmann: Kabelgebundene Infrastruktur ist unser Kerngeschäft, daher wollen wir auch beim Glasfaserausbau mit dabei sein. Da sind wir in einem guten Wettbewerb mit der Telekom. Wir konzentrieren uns bislang auf den geförderten Ausbau im ländlichen Bereich, wo die Anschlussgeschwindigkeiten nur sehr gering sind. Nach und nach werden wir auch in den in den eigenwirtschaftlichen Ausbau gehen. Seit dem 1. Januar 2021 haben wir eine neue Tochter, die Sachsen Gigabit, als Geschäftsfeld. Wenn man die Kommunikations- und Breitbandtätigkeiten aus allen unseren Unternehmensbereichen zusammenfasst, kommt man auf 37 Mio. Euro Umsatz. Das wird ein deutliches Wachstumsfeld werden, sowohl was den reinen Ausbau als auch was die Vermarktung anbelangt.
Das Interview führte Stefanie Dierks, energate-Redaktion Essen. /sd