Berlin (energate) - Die Pläne des Bundes zur Senkung der Treibhausgase im Verkehr bereitet der Biokraftstoffbranche weiter Sorgen. Besonders kritisch sehen Verbändevertreter Überlegungen, bestimmte Technologien künftig gleich mehrfach auf die Treibhausgasminderungsquote (THG) anrechnen zu können - Ladestrom für Elektrofahrzeuge zum Beispiel soll dreifach anrechenbar sein. "Wir lehnen diese Mehrfachanrechnungen ab, weil sie Klimaschutz durch Rechentricks vortäuschen", sagte Artur Auernhammer, Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), anlässlich einer Online-Veranstaltung von fünf Branchenverbänden. So verliere die THG-Quote ihre Aussagekraft über reale Treibhausgaseinsparungen und den tatsächlichen Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr, kritisierte das Bundestagsmitglied Auernhammer (CSU).
Hintergrund ist ein Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Erneuerbarenrichtlinie RED II, der einen Anstieg der THG-Quote bis zum Jahr 2030 von heute sechs auf dann 22 Prozent vorsieht. Erreicht werden soll damit ein Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr von 28 Prozent. Neben Ladestrom soll eine Mehrfachanrechnung auch für Wasserstoff gelten, hier mit dem Faktor zwei. Auf den Entwurf hatte sich Ende des Jahres 2020 das Bundeskabinett geeinigt, nachdem es zuvor bereits teils heftige Kritik an dem Gesetzentwurf des Umweltministeriums gegeben hatte (
energate berichtete).
Erneuerbare könnten sich "gegenseitig kannibalisieren"
Auch in der aktuellen Fassung sehen die Verbände weiterhin die Gefahr, dass herkömmliche Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse und solche aus Abfällen und Reststoffen aus dem Markt gedrängt werden. Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), warnte davor, dass sich die Erneuerbaren "gegenseitig kannibalisieren" könnten. Dies werde eintreten, wenn etwa die Elektromobilität stärker wachse als im Szenario derzeit vorgesehen - wovon auszugehen sei. Zwar enthalte der Entwurf einen Vorschlag für eine automatische Anpassung der THG-Quote, die solch einer Entwicklung Rechnung tragen soll. Diese lasse jedoch zu viel Spielraum, sagte Baumann. Er fordert eine jährliche, mindestens aber 24-monatige Revisionsmöglichkeit, um auf ein exponentielles Wachstum wie bei der Elektromobilität reagieren zu können.
Linearer Anstieg der THG-Quote würde Sicherheit bringen
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt bildet die "deutlich zu langsame" Erhöhung der THG-Quote. Als Zwischenziel bis 2024 ist aktuell eine Erhöhung um acht Prozent vorgesehen, was eine Steigerung um zwei Prozentpunkte in drei Jahren entspricht. Die Branchenforderung ist laut Stefan Walter, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBE), aber eine Erhöhung in gleichen jährlichen Schritten etwa um 1,5 Prozentpunkte bis zu dem geplanten Ziel von 22 Prozent. Ein linearer Anstieg bringe der Branche Sicherheit, um zu investieren sowie um Absatzmärkte zu erkennen, so Walter.
Darüber hinaus fordern die Verbände unter anderem eine Stabilisierung des Beitrags konventioneller, nachhaltig erzeugter Biokraftstoffe, da Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren noch bis in die 2030er-Jahre hinein dominierend bleiben würden. Zudem plädieren sie für einen ambitionierteren Aufwuchspfad für fortschrittliche Biokraftstoffe aus Reststoffen auf 3,5 Prozent bis 2030, statt auf aktuell 2,6 Prozent. Außerdem mahnen BBE, VDB, BDBE, die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) und der Fachverband Biogas (FvB) an, zu entscheiden, ob höhere Anteile von Biokraftstoffen in den Bereichen Schwerlastverkehr, Schiffs- und Flugverkehr sowie in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden sollen. /dz