Wien (energate) - Die Aufarbeitung des Beinahe-Blackouts vergangene Woche in Europa und die Reaktionen darauf stehen in der österreichischen Energiewirtschaft weiterhin im Fokus. Am 8. Januar hatte ein massiver Frequenzabfall unter die Marke von 49,75 Hertz das europäische Stromnetz an seine Grenzen gebracht. (
energate berichtete). Wie der Übertragungsnetzbetreiber APG in einer ersten Analyse berichtete, gab es im kontinentalen Stromnetz zeitweise eine westliche und eine östliche "Synchroninsel" (
energate berichtete). Vermutlich war ein Stromausfall in Rumänien der Auslöser.
Derzeit läuft die Analyse durch Entso-E, die Vereinigung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber. Am 25. Jänner will die APG im Präsidium von Oesterreichs Energie die Ergebnisse präsentieren. Das kündigte Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie, an. Bis dahin sollten alle Daten vorliegen, so Strugl. "Im Präsidium werden die Schlussfolgerungen diskutiert und an die zuständigen Stellen adressiert." Gleichzeitig teilte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit, sie werde dazu in den nächsten Tagen Gespräche mit der E-Control und der APG führen. Gewessler nutzte den Vorfall auch dazu, auf die hohe die Versorgungssicherheit in Österreich hinzuweisen: "Alle Sicherheitsvorkehrungen haben wie vorgesehen funktioniert." Die kürzlich beschlossene Netzreserve "sichert unsere Stromversorgung auch in schwierigen Situationen", so Gewessler.
Deutliche Kritik der Branche zum Thema Netzreserve
Branchenvertreter haben allerdings in den vergangenen Tagen teils recht deutliche Kritik zum Zusammenhang von Versorgungssicherheit und Netzreserve geäußert. "Vor allem Gaskraftwerke haben Österreich und Europa in den vergangenen Tagen vor einem katastrophalen Blackout bewahrt", betonte Peter Weinelt, stellvertretender Generaldirektor der Wiener Stadtwerke und Obmann des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen (FGW). Statt sich beim Umbau des Energiesystems allein auf Strom zu fokussieren, müsse Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stehen. Dazu brauche es möglichst rasch neue Rahmenbedingungen für "grünes Gas" wie Biogas und Wasserstoff sowie eine Stärkung der Sektorkopplung, so Weinelt.
Ein leitender Manager, der nicht genannt werden will, verwies im Gespräch mit energate auf das Beispiel der EVN: "Dieser Versorger war noch vor drei Jahren in der Lage, im Fall eines überregionalen Blackouts in Niederösterreich einen Inselbetrieb herzustellen. Das geht heute nicht mehr, weil die EVN in den letzten zwei Jahren ihren Kraftwerkspark von 1.400 MW auf 350 MW reduzieren musste." Auch Werner Hengst, Geschäftsführer von Netz NÖ, verwies diese Woche bei einer Pressekonferenz darauf, dass für die Stabilität benötigte thermische Kraftwerke weiter aus dem Netz fallen, während Windräder nur 3.000 und Photovoltaik nur sogar nur 1.000 Stunden von den 8.760 Stunden eines Jahres Strom liefern (
energate berichtete). Auch Oesterreichs-Energie-Chef Strugl betonte: "Mit dem Beschluss der Netzreserve wurde eine erste wichtige Maßnahme gesetzt. Für eine langfristige Lösung braucht es aber weitere Schritte." Versorgungssicherheit gebe es nicht zum Nulltarif. Weitere erhebliche Investitionen in den Netzausbau, in Speicher und Kraftwerke seien unabdingbar.
Strugl: EU-Vorgaben zu Leitungskapazitäten problematisch
In diesem Zusammenhang sei die Vorgabe der EU, 70 Prozent der grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel zu reservieren, durchaus problematisch, so Strugl weiter. "Durch seine geographische Lage ist Österreich eine wichtige Drehscheibe im europäischen Stromsystem. Mit dieser Vorgabe müssen wir unsere Leitungskapazitäten ausreizen, sodass wenig Reserven für Krisenfälle zur Verfügung stehen", warnte er. /pm