Wien (energate) - Während in Deutschland vom Bundeswirtschaftsministerium schon ein konkreter Entwurf für eine Wasserstoffregulierung vorliegt, könnte es auf europäischer Ebene bis zu einem solchen Rahmen noch dauern. So lautete der Tenor auf der Konferenz "European Gas Virtual". Erste Anhaltspunkte sollen zwei Pakete liefern, welche die Europäische Kommission in diesem Jahr vorlegen möchte. So kündigte Catharina Sikow-Magny, Leiterin der Unterabteilung Energiebinnenmarkt der Generaldirektion Energie in der EU-Kommission - neben der Überarbeitung der Renewable Energy Directive - für Ende 2021 ein "Gasmarkt-Dekarbonisierungspaket" an. Es soll sich vor allem der Transformation des Energiesektors unter dem Einfluss einer entstehenden Wasserstoffwirtschaft widmen. "Wir wollen sehr bald eine erste Roadmap mit den entsprechenden Schwerpunkten vorstellen", so Sikow-Magny auf der virtuellen Konferenz.
Diverser europäischer Gasmarkt
Zentrale Inhalte des Pakets seien neben der Errichtung einer Wasserstoffinfrastruktur, Fragen des Netzzugangs und der Schaffung von Wettbewerb. "Wir werden künftig einen sehr diversen Markt mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Gasprodukten mit verschiedenen physikalischen Eigenschaften haben", so Sikow-Magny. Der in Sikow-Magnys Abteilung für den Gasmarkt zuständige Bartlomiej Gurba unterstrich ebenfalls, dass es noch viele offene Fragen in einem europaweiten, dekarbonisierten Gasnetz zu klären gebe. Auch deswegen werde sich der Prozess für die Festsetzung eines Regulierungsrahmens noch hinziehen. "Das ist ein legislativer Prozess, der Jahre dauern kann", sagt Gurba. Er rechnet mit einer Umsetzung in nationales Recht bis 2024.
Acer fordert dynamische Regulierung
Die Agentur der europäischen Regulierungsbehörden Acer schlägt unter anderem vor dem Hintergrund der verschiedenen Ausgangspositionen in den nationalen Gasmärkten eine Art "dynamische Regulierung" vor. So solle der Regulierungsrahmen auf europäischer Ebene nur generelle Prinzipen festlegen, die sich gut auf die nationalen Bedürfnisse anpassen ließen. Beispiele, dass dies gut funktioniere, gebe es bereits aus anderen Branchen. "Im Telekommunikationssektor gibt es ein ähnliches Modell", erklärte Dennis Hesseling, Head of Gas Department bei Acer. Die europäische Agentur hatte bereits 2019 einen Vorstoß in dieser Richtung gemacht als sie das Papier "Beyond the Bridge" zur Umsetzung des "Clean Energy Packages" und der damit verbundenen Überarbeitung des Regulierungsrahmens vorgelegt hatte (
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EU betont Wichtigkeit der Technologieoffenheit
Abseits der Regulierung herrschte beim Thema Erzeugung von Wasserstoff und seiner Farbe große Einigkeit unter den Konferenzteilnehmern. Es sei keine Frage, ob grüner oder blauer Wasserstoff - beide Technologien sollten in einer künftigen dekarbonisierten Gaswirtschaft eine wichtige Rolle spielen, sagte etwa Steinar Eikaas, Head of Low Carbon Solutions bei Equinor. Der norwegische Energiekonzern ist europaweit gleich an mehreren Projekten mit blauem Wasserstoff in Kombination mit CCS (Carbon Capture and Storage) beteiligt. Dazu zählt unter anderem Northern Lights, ein gemeinsames Projekt mit Shell und Total (
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Auch Gurba betonte die Wichtigkeit der Technologieoffenheit. "Wir wollen keine Technologie von vorneherein ausschließen", so der Gasmarktleiter der EU-Kommission. Auch wenn bekannt sei, dass zum Beispiel in Deutschland die Vorbehalte gegen solche Verfahren groß seien, weswegen sich die deutsche Regierung in ihrer nationalen Strategie vor allem auf den grünen Wasserstoff konzentriert. Die EU strebt da einen anderen Weg an. Erst kürzlich hatten sich die EU-Energieminister für Änderungen in der europäischen Strategie eingesetzt, blauer Wasserstoff soll darin eine größere Rolle spielen (
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